Das spanische Erbe
zuckte die Schultern. “Der Raum ist kleiner und im Winter sicher auch besser warmzuhalten.”
Ramon betrachtete sie nachdenklich. “Du bist nicht mehr in England,
querida.
Die Winter auf Menorca sind mild, und außerdem ist das große Zimmer bestimmt viel gemütlicher.” Als sie nicht antwortete, ging er zur Tür. “Ich sehe es mir einmal an. Einverstanden?”
Sie nickte und legte sich in das wohltuend warme Wasser.
Als Annalisa gebadet hatte, kam Ramon zurück. Er setzte sich zu ihr aufs Bett und reichte ihr schweigend ein vergilbtes Foto.
Annalisa spürte, wie ihr Herz zu rasen begann. Eigentlich wollte sie es nicht betrachten, denn sie ahnte schon, wer darauf abgebildet war.
“Willst du es nicht ansehen?”, fragte Ramon erstaunt. “Es überrascht mich, dass du es noch nicht eher gefunden hast. Es lag auf der alten handgearbeiteten Truhe, die im Schlafzimmer deines Vaters steht.”
Es kam ihr fast so vor, als hätte jemand gewollt, dass sie es entdeckte. “Ich hatte bis jetzt keine Zeit, jeden Winkel der Finca zu durchsuchen.”
“Du brauchst mir nichts zu erklären”, sagte Ramon beruhigend. “Hast du eine Ahnung, wer das auf dem Foto ist?”
Nur widerwillig blickte sie das vergilbte Papier an. Natürlich wusste sie genau, um wen es sich handelte. Das lachende Mädchen war ihre Mutter – zwar sehr viel jünger, aber trotzdem sofort wiederzuerkennen. Der Mann, der einen Arm um sie gelegt hatte und sie anlächelte, war … Annalisa schrie leise auf und hielt Ramon das Bild hin. “Ich will es nicht haben! Pack es weg!”
“Aber das ist dein Vater”, sagte er sanft. “Siehst du denn nicht, wie sehr er sie geliebt hat?”
“Nein!”, rief sie aufgebracht. “Was bedeutet das auch schon! Ich musste jeden Tag mit den Folgen dieser unglücklichen Beziehung leben! Ich will nichts mehr davon hören. Glaub aber nicht, dass ich undankbar bin. Ich werde meinem Vater für das Geld ewig dankbar sein … und natürlich auch für die Finca. Trotzdem werde ich nie vergessen, wie meine Mutter gelitten hat. Sie war eine verbitterte Frau, Ramon, und das nur, weil ein rücksichtsloser Mann ihr das Herz gebrochen hat.”
“Hör auf damit, Annalisa. Ich lasse nicht zu, dass du dich so quälst.”
“Ach nein? Warum denn nicht? Es stimmt doch alles! Oder würde es dir gefallen, wenn ich das Gleiche durchmache wie meine Mutter?”
Er schwieg, und als er ihr in die Augen sah, war sein Blick kalt wie Eis. “Ich war der Meinung, dass wir dies inzwischen ein für alle Mal geklärt haben.”
“Was?”, fragte sie aufgebracht.
“Ich dachte, du vertraust mir. Stattdessen beleidigst du mich. Warum tust du das, Annalisa?” Er stand auf.
“Du verstehst mich nicht. Ich habe nur die Tatsachen dargelegt.”
“Genau darum geht es. Für dich gibt es nur Schwarz oder Weiß. Die Wahrheit liegt aber in der Mitte.”
“Tatsächlich? Was ist denn die Wahrheit? Eine schwangere Frau wird von einem spanischen Adligen im Stich gelassen, der ihr als Trostpflaster monatlich einen großzügigen Geldbetrag überweist. Das klingt wirklich toll, Ramon. Ich glaube nicht, dass du da etwas beschönigen kannst.”
“Das ist nun einmal das Leben. Nichts läuft so rund, wie man es gern hätte. Es wird immer Probleme geben. Willkommen in der realen Welt, Annalisa. So ist es nun einmal.”
“Und was ist mit uns?”, fragte sie leise. “Wie würdest du unsere Beziehung beschreiben? Läuft es
rund
für dich?”
“Ich verstehe nicht, worauf du hinauswillst.”
“Was ist, wenn ich schwanger bin?” Sie hätte die Worte am liebsten zurückgenommen, doch es war zu spät. Jetzt blieb ihr nur noch eins: zu warten, was er zu sagen hatte.
Ramon blickte sie starr an. “Bist du es?”, fragte er schließlich sanft.
“Darum geht es nicht. Ich wollte nur sehen, wie du reagierst, wenn …”
Er fuhr sich durchs Haar, und es war ihm deutlich anzumerken, wie wütend er war.
“Hör auf damit”, sagte er warnend. “Ich dachte, wir verstehen uns gut …”
Sie lachte spöttisch. “
Gut?
Ist das alles?”
“Du weißt genau, was ich meine”, erwiderte er kühl. “Du kennst meine Gefühle für dich …”
“Wirklich?”, unterbrach sie ihn scharf. “Und wie sollte ich das, bitte schön?”
“Ich habe dir oft genug gezeigt, was ich für dich empfinde.”
“Aber das Wort Liebe hast du nie erwähnt.”
Einen Moment lang hatte sie ihn aus der Fassung gebracht. Doch gleich darauf hatte er sich wieder unter Kontrolle. “Was
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