Das spanische Erbe
ihm einen Gefallen zu erweisen und ihn deshalb über alles informierte, was wichtig erschien.
“Wie ich höre, war dein Besuch beim Anwalt erfolgreich.”
Das war ihm also auch schon zugetragen worden! “Ich möchte dir noch danken …”
Er winkte ab. “Ich freue mich für dich.”
Sie betrachtete seine starken Hände und versuchte, nicht daran zu denken, wie er sie liebkost hatte. Aber das würde sie nie vergessen können, das war ihr nur zu klar. Seine Miene war finster und sein Blick kühl. Vor noch gar nicht so langer Zeit hatten seine Augen noch leidenschaftlich geleuchtet …
Das Pferd begann zu scheuen, doch Ramon hielt es eisern unter Kontrolle. Dennoch wich Annalisa vorsichtshalber einige Schritte zurück.
“Du brauchst keine Angst zu haben. Dardo ist nur etwas unruhig, sonst ist er lammfromm”, sagte Ramon beruhigend.
“Das hoffe ich schwer. Dardo – was für ein ungewöhnlicher Name!” Sie wusste nicht, was gefährlicher war: Ramon oder das Pferd anzusehen. In seinem langen, traditionellen menorquinischen Hemd, den Jeans und den handgearbeiteten Stiefeln sah Ramon eher wie ein Zigeuner und nicht wie ein erfolgreicher Geschäftsmann aus.
“Das bedeutet so viel wie Pfeil”, sagte Ramon, der nicht zu spüren schien, was in ihr vorging. “Er ist übrigens mein bester Hengst.” Er ließ das Pferd im Schritttempo einen Kreis gehen. “Er möchte gern wieder galoppieren.”
Zuerst verstand Annalisa nicht, was er meinte. Doch als Ramon das großartige Tier zügelte und ihr die Hand reichte, wusste sie, was er vorhatte. “Nein, danke”, sagte sie erschrocken, “ich gehe lieber zu Fuß.”
“Du hast doch nicht etwa Angst?”, fragte er herausfordernd.
“Wie kommst du darauf? Ich bin als Kind oft geritten. Ich möchte einfach nicht. Punkt und aus.”
“Warum vertraust du mir nicht, Annalisa?”
Sie sah ihm in die Augen. Sein Blick war unergründlich. Was hatte er vor? Irgendwelche Machospielchen? Wie weit würde er gehen, um sein Ziel zu erreichen? Aber andererseits hätte sie ohne ihn wahrscheinlich nie von ihrem Erbe erfahren.
Vorsichtig machte sie einen Schritt auf das Pferd zu. Dardo betrachtete sie skeptisch, wieherte dann leise und scharrte mit den Hufen.
“Er mag dich”, sagte Ramon zufrieden.
Tatsächlich? Annalisa musterte nachdenklich den gut aussehenden Mann im Sattel.
“Aber er ist ungeduldig. Genau wie sein Herr und Meister.” Bevor Annalisa sich’s versah, hatte Ramon sie gepackt und vor sich in den Sattel gesetzt. Dann gab er dem Tier einen Befehl, und es galoppierte los. “Ganz ruhig”, flüsterte Ramon ihr ins Ohr, als Dardo elegant über eine kleine Steinmauer sprang und davonpreschte.
“Ich …, ich kann nicht.” Sie war starr vor Angst.
“Kämpf nicht dagegen an. Pack seine Mähne mit beiden Händen. Ja, so.” Er zeigte es ihr. “Gut. Jetzt können wir noch schneller reiten.”
“Nein!”
Doch Ramon achtete nicht auf ihren Protest. Er trieb Dardo an, und gleich darauf hatte Annalisa ihre Furcht vergessen. Es war einfach wundervoll, auf dem Rücken dieses kraftvollen Pferdes zu sitzen und dahinzufliegen.
Viel zu früh erreichten sie Annalisas Finca. Ramon brachte das Tier auf dem Hof zum Stehen.
“Das war …” Ihr versagte die Stimme.
“So gut wie Sex? Oder sogar besser?”
Seine Stimme klang kühl, und deshalb antwortete sie ihm nicht, sondern rückte von ihm ab.
Er schüttelte den Kopf. “Wenn du so weit vorn sitzt, verletzt du Dardo noch. Lehn dich an mich. Ich will dir noch etwas zeigen.” Er gab dem Pferd wieder einen Befehl, und sie machten sich erneut auf den Weg.
Sie hatte keine andere Wahl, als Ramons Aufforderung zu folgen, denn im Moment hatte er die Kontrolle über sie. “Wohin bringst du mich?”, fragte sie trotzdem. Er sollte nicht denken, dass sie so schnell klein beigab.
“Zu den Orangenbäumen.” Er zog an den Zügeln und zeigte auf das eingezäunte Land. “Sieh genau hin.”
Annalisa glaubte ihren Augen nicht trauen zu können. Es war wie ein Wunder. Jeder Zweig trug viele wundervolle grüne Blätter, und das halbe Dorf schien auf den Beinen zu sein. Die Männer und Frauen gruben, beschnitten die Äste und jäteten Unkraut.
“Auf Menorca ist es viel wärmer als in England”, sagte Ramon, der ihre Überraschung bemerkt hatte. “Hier wächst alles schneller.”
Was sollte sie darauf antworten?
“Du hättest mehr Vertrauen haben sollen, Annalisa. Deine Bäume haben nur viel Sonne und etwas Dünger
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