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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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konnte Julia erkennen, wie das Wasser stieg. Was, wenn das Felsplateau unter ihnen in der Zwischenzeit überspült worden war?
    »Das Wasser steigt, oder?«, brüllte sie. »Und ich kann die beiden nicht sehen!«
    »Ich auch nicht!« Chris stützte die Hände auf die Knie und rang nach Luft. »Oh Shit! Die Wand geht fast senkrecht nach unten. Da komm ich nie im Leben runter.«
    Julia starrte ihn an. Er ließ sie im Stich? Erst brachte er sie hierher und nun wollte er ihr nicht helfen?
    »Dann hau doch ab! Hau doch einfach ab!«, brach es aus ihr heraus. »Ich mache das alleine! Ich brauche dich nicht! Ich brauche niemanden!«
    Chris fuhr herum. »Es geht hier aber nicht nur um dich und deinen durchgeknallten Bruder, verstehst du! David hat sein Leben für Robert aufs Spiel gesetzt.«
    »Schluss!«, hörten sie plötzlich eine energische Stimme hinter sich. Isabel trat ganz nahe an den Rand. »Ich hab doch gesagt, hier gibt es einen Klettersteig, der nach unten führt.«
    Julia beugte sich noch weiter vor und blickte in den schwarzen Abgrund, der mindestens zehn Meter senkrecht in die Tiefe führte. Dort unten tobte das Wasser. Immer wieder schlugen die Wellen meterhoch und überspülten das Felsplateau, das Julia jetzt schemenhaft erkennen konnte.
    »Sie sind nicht mehr da!«, schrie sie gegen den Wind an. »Das Wasser hat sie nach unten gezogen.«
    »Nein«, erwiderte Isabel ruhig. »Ich kann etwas erkennen. Da unten ist jemand. Ich klettere hinunter. Ich hab das schon einmal gemacht.«
    »Ich komme mit.« Julia sagte es so entschieden, dass niemand es wagte zu widersprechen.
    »Aber ich gehe voraus«, erklärte Isabel. »Und dich seilen wir an. Die Wand ist verdammt glatt und glitschig! Wenn du keinen Halt findest, sichert dich Chris von oben. Chris, gib mir die Taschenlampe.«
    »Ich komme auch mit!«, widersprach er.
    »Nein, das tust du nicht!«, sagte Isabel energisch. »Du bist der Einzige von uns, der genug Kraft hat, uns mit dem Seil wieder hochzuziehen.«
    Die Blitze zuckten in immer kürzer werdenden Abständen und beleuchteten für wenige Sekunden Chris’ Gesicht. Er sah Julia an und zögerte.
    »Isabel hat recht«, sagte sie. »Wir brauchen dich hier oben.« Isabel zog Julia mit sich. »Komm, es geht los.«
    Und dann verschwand ihr Kopf in der Dunkelheit. Chris verknotete das Seil um Julias Mitte. Sie wollte sich schon umdrehen, da griff er für einen Moment nach ihrer Hand. »Es tut mir leid, dass ich dich eben angebrüllt habe.« Sie konnte seine heisere Stimme fast nicht hören. »Ich hab’s nicht so gemeint. Du weißt, ich halte dich fest.«
    Er sah sie an und irgendetwas in seinen Augen brachte Julia dazu, ihm zu glauben.
    Stumm nickte sie. Dann wandte sie sich um und folgte Isabel in die schwarze Tiefe. Ihre Hände klammerten sich an die Felskante. Ihr rechter Fuß schwebte in der Luft. Sie fühlte, wie Panik sie überfiel, bis sie die erste Felsenstufe spürte. Am ganzen Körper zitternd, suchte sie Halt und dann fanden ihre Füße den Weg in der Dunkelheit von alleine. Vorsprung für Vorsprung kletterte sie nach unten. Um sich zu beruhigen, zählte sie mit und nach jedem Schritt atmete sie ein und wieder aus, spürte der Luft in ihrem Brustkorb nach, bis sie völlig vergaß, dass sie mitten in der Luft über dem Lake Mirror hing, nur durch ein Seil gesichert.
    Dann war es geschafft. Während ihre Füße unsicher auf dem nassen, rutschigen Felsplateau Halt suchten, drückte sie den Rücken ganz fest an die Wand hinter sich. Sie hatte Mühe, bei dem Wind das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Der Sturm peitschte über das Wasser und die einzige Lichtquelle war die Taschenlampe in Isabels Händen.
    »Kannst du sie sehen?«, schrie sie laut.
    »Ja, hier ist jemand.«
    Isabel beleuchtete eine reglose Gestalt, die auf dem Boden lag. Die Beine ragten ins Wasser.
    Unwillkürlich schrie Julia auf. Mit einem Satz war sie bei dem Jungen. Es war ihr Bruder.
    Isabel beugte sich zu ihm hinunter. Erleichterung war aus ihrer Stimme zu hören, als sie murmelte: »Alles in Ordnung. Ich fühle seinen Puls.«
    »Und David? Wo ist David?«
    »David?« Julia hörte die Panik in Isabels Stimme. Sie beugte sich über Robert. »Robert, kannst du uns verstehen? Wo ist David? Hat er losgelassen? Hat er es nicht auf den Felsen geschafft?«
    »David … er versucht … er will sie finden, ist noch einmal losgeschwommen.«
    »Der verdammte Idiot!« Isabels Stimme war schrill vor Angst.
    Über dem See war ein gleißender

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