Das Spiel beginnt
das kalte Wasser sie belebte, schüttelte sie den Kopf. Es kam ihr vor, als wäre sie aus einem Traum erwacht, von einer Ohrfeige schlagartig in die Realität zurückgeholt worden. »Ich …« Sie stieß sich von ihm ab, fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Ich …«
»Muss jetzt schlafen«, beendete er den Satz. Justin wurde klar, dass er kurz davor gewesen war, sie sich einfach zu nehmen. Wie sein Vorfahre.
»Ja.« Serena fühlte die Regentropfen auf der bloßen Haut und zog ihre Jacke zusammen. »Ja, es ist spät.« Sie war noch wie benebelt, als sie sich ein wenig verwirrt umsah. »Es regnet«, wiederholte sie.
Ihre plötzliche Verletzlichkeit hatte etwas an sich, das ihn sie noch mehr begehren ließ als Momente zuvor. Aber dieses Etwas machte es ihm auch unmöglich, sie einfach zu nehmen. Er stopfte die Hände in die Taschen und ballte sie kurz zu Fäusten. Dieser verdammte Daniel MacGregor, dachte er wütend. Der Schotte hatte ihm eine Falle mit einem erstklassigen Köder gestellt. Wenn er sie jetzt nahm, würde es bestimmt seine Beziehung zu dem Mann zerstören, den er fast liebte. Und wenn nicht, würde er sie nur weiterhin begehren. Wenn er wartete … nun ja, das war eben das Risiko.
»Gute Nacht, Serena.«
Unentschieden stand sie da, wollte unter Deck und in die Welt der Vernunft, wollte zugleich auch in seine Arme und in den Wahnsinn eilen. Sie holte tief Luft und zog die Jacke noch fester um sich. »Gute Nacht.«
Serena hastete davon, denn sie wusste, dass sie nicht mehr als einen Moment brauchen würde, um es sich anders zu überlegen.
4. K APITEL
Weil sie dachte, es wäre menschenleer, wählte Serena das hintere Verandadeck. Wer noch an Bord war, hielt sich wahrscheinlich im geräumigeren Poolnereich auf und sonnte sich in Reichweite von Lido-Bar und -Grill. Die meisten Passagiere besichtigten San Juan, erkundeten die historische Altstadt, stiegen zur Festung hinauf und machten Schnappschüsse von den Bergen ringsherum. Wer immer im Laufe des Tages an Bord zurückkehrte, würde sie auf dem ruhigen Achterdeck wohl kaum stören.
Fast hätte sie verschlafen, weil sie vergessen hatte, dass sie mit Dale zur Abrechnung der Einnahmen eingeteilt war. Erst kurz vor Morgengrauen war sie eingeschlafen. Nach kaum mehr als vier Stunden hatte der Wecker sie schockartig aufwachen lassen. Nachdem die Arbeit des Vormittags erledigt war, legte sie sich in die Mittagssonne.
Serena wollte nicht mehr nachdenken, wie in den langen stillen Stunden zwischen drei Uhr morgens und Sonnenaufgang. Eigentlich war sie viel zu müde, um sich über den gestrigen Abend den Kopf zu zerbrechen, doch schon als sie sich auf dem Liegestuhl ausstreckte, war alles wieder da. Was geschah bloß mit ihr, wann immer Justins Lippen ihre berührten? Was immer es war, sie hatte sich geschworen, es nie wieder geschehen zu lassen – und war dann doch hilflos gewesen. Was hatte er bloß an sich, dass sie sich immer wieder davon mitreißen ließ, bis an einen Abgrund, in dem etwas Gefährliches lauerte? Jedes Mal fiel es ihr schwerer, sich dagegen zu wehren.
Serena löste die Träger ihres Bikinioberteils und lehnte sich zurück. Vielleicht war es doch sinnvoller, gründlich über die Sache nachzudenken, anstatt sich vor der Wahrheit zu drücken. Wenn es im MacGregor-Clan eine Gemeinsamkeit gab, dann die, dass alle Realisten waren. Stelle dich einem Problem und räume es beiseite. So hätte das Motto des Clans lauten können. Und das Motto, mit dem sie das Problem Justin Blade angehen musste.
Er war gefährlich attraktiv. Gefährlich deshalb, folgerte Serena, weil diese Attraktivität sie von der ersten Sekunde an beherrscht hatte und seitdem nicht geringer geworden war. Und es ist nicht nur sein Aussehen, dachte sie und schob die Sonnenbrille höher. Auf das Aussehen kam es nicht an. Sondern auf die kraftvolle und erotische Ausstrahlung und auf den dominierenden Stil. Alle drei forderten sie heraus, sich ihm zu widersetzen. Für eine Frau, die äußerst selten den einfachsten Weg wählte, war das eine unglaublich reizvolle Kombination.
Mochte sie ihn eigentlich? Serena schüttelte leicht den Kopf, wurde dann jedoch nachdenklich. Und? Mochte sie ihn nun oder nicht? Die Antwort kam mit der Erinnerung an einen gemächlichen Nachmittag in Nassau, an den kurzen Scherz im Casino, an die Selbstverständlichkeit, mit der ihre Hand in seine passte. Vielleicht mag ich ihn wirklich, gestand Serena sich widerwillig ein. Ein wenig. Aber, dachte sie
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