Das Spiel beginnt
Justin. »Woher weiß ich, dass sie …«, er musste die Worte herauszwingen, »… noch am Leben ist?«
»Ich denke darüber nach.«
Die Verbindung wurde unterbrochen.
Serena kauerte sich unter der Decke zusammen. Ihr war kalt, aber die Kälte hatte nichts mit der Temperatur zu tun. »Er hat meinen Vater getötet.« Konnte es der Sohn des Mannes sein, der Justin vor all den Jahren angegriffen hatte? Der Hass musste sich in ihm aufgestaut haben, seit er ein kleiner Junge war. Serena fröstelte und zog sich die Decke fester um die Schultern.
Sie schloss die Augen und konzentrierte sich. Es war fast still, kein Verkehrslärm. Leises Rauschen. War das der Ozean? Oder der Wind? Wie weit außerhalb der Stadt waren sie? Würde man sie hören, wenn sie die Tasse durchs Fenster warf und schrie? Noch während sie ihre Chancen abwog, kehrte Terry zurück.
»Ich habe Ihnen ein Sandwich mitgemacht.«
Er wirkte noch nervöser als zuvor. Sie musste ihn zum Reden bringen. »Bitte lassen Sie mich nicht allein.« Sie packte seinen freien Arm und sah ihn flehentlich an.
»Sie werden sich besser fühlen, wenn Sie gegessen haben«, murmelte er und hielt ihr das Sandwich unter die Nase. »Sie brauchen keine Angst zu haben. Ich tue Ihnen nichts, wenn Sie keine Tricks versuchen.«
»Ich habe Sie gesehen«, sagte sie und ging das Risiko bewusst ein. »Wie können Sie mich gehen lassen?«
»Ich habe Pläne.« Rastlos ging er auf und ab. Er ist nicht groß, dachte sie, ich könnte es schaffen. »Wenn ich denen sage, wo Sie sind, bin ich längst weg. Mit zwei Millionen Dollar werde ich mir ein bequemes Versteck suchen können.«
»Zwei Millionen«, flüsterte sie entsetzt.
»Keine Sorge, er wird bezahlen.« Terry lachte.
»Sie sagten, er hätte Ihren Vater getötet.«
»Er hat ihn ermordet.«
»Aber er wurde freigesprochen«, protestierte sie.
»Alles nur Politik, hat meine Mutter mir erzählt. Sie haben ihn freigelassen, weil er ein armer Indianerjunge war. Sein Anwalt hat die Zeugen bestochen.«
Seine Mutter musste ihn jahrelang zur Rache getrieben haben. Mit ein paar Worten von ihr war das nicht zu ändern. Hatte seine Mutter ihm auch von Justins Narbe erzählt? Oder davon, dass sein Vater betrunken gewesen und von seinem eigenen Messer getötet worden war? »Es tut mir leid«, sagte sie matt.
»Jetzt bezahlt er dafür.«
»Bitte, wie ist Ihr Name?«, fragte sie.
»Terry.«
Serena setzte sich auf. »Terry, Justin hat bestimmt die Polizei informiert. Man sucht sicher schon nach mir.«
»Man wird Sie nicht finden. Ich habe diese Wohnung schon vor sechs Monaten gemietet, als Blade das Hotel eröffnet hat. Das alte Ehepaar, dem sie gehört, ist in Florida. Die beiden haben mich nicht gesehen, nur den Scheck, den ich ihnen geschickt habe.«
»Terry …«
»Hören Sie, Ihnen wird nichts passieren. Zehn Stunden nach der Geldübergabe werde ich Blade wissen lassen, wo Sie sind.« Er stürmte aus dem Raum, bevor sie noch mehr sagen konnte.
»Was ist das überhaupt für ein Laden, in dem ein Mann meine Tochter in einen Korb legen und mit ihr verschwinden kann?«, fuhr Daniel MacGregor die kleine Gruppe in der Suite an.
»Daniel.« Anna saß neben Justin auf der Couch. Ihre sanfte Ermahnung half nicht. Daniel ging fluchend ans Fenster. Sie legte ihre Hand auf Justins. »Justin …«
Kopfschüttelnd stand er auf und ging zum ersten Mal in den sechs Stunden der Angst ins Schlafzimmer. Ihr Morgenmantel lag noch dort, wo sie ihn hingelegt hatte. Er brauchte ihn nur aufzuheben, um ihren Duft in sich aufzunehmen. Das Etui mit den Ohrclips, die er ihr geschenkt hatte, stand offen auf der Kommode. Er wusste noch, wie die Steine am Abend zuvor gefunkelt hatten – als Serena nackt auf seinem Bett kniete und die Arme nach ihm ausgestreckt hatte.
Angst und Zorn wüteten in ihm, bis seine Haut nasskalt war. Nur der Regen war zu hören. Wenige Stunden zuvor hatte Serena diesen Raum noch mit ihrem Lachen und ihrer Leidenschaft erfüllt. Dann hatte er sie verlassen. Er hatte ihr nicht gesagt, dass er sie liebte, oder ihr einen Abschiedskuss gegeben.
Hinter ihm öffnete sich die Tür. »Was ich gesagt habe, tut mir leid, Justin«, meinte Daniel leise.
»Daniel, ich liebe sie«, erwiderte er nur.
»Ja, das sehe ich.«
»Was immer er verlangt, ich werde es tun.«
Daniel nickte und streckte die Hand aus. »Komm, die Familie sollte gemeinsam warten.«
12. K APITEL
Es war dunkel, als Serena fühlte, wie sie wach gerüttelt wurde.
»Sie
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