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Das Spiel Der Götter 13. Im Sturm Des Verderbens

Das Spiel Der Götter 13. Im Sturm Des Verderbens

Titel: Das Spiel Der Götter 13. Im Sturm Des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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haltgemacht hatten. Er hatte die Hände gefaltet, und seine Finger zuckten. Sein Atem ging flach und schnell.
    Samar Dev, die neben ihm stand, verdrehte die Augen, entschloss sich dann aber zu fragen: »Wirst du jetzt gleich tot umfallen? Wenn ich gewusst hätte, dass es bei diesem Spaziergang darum gehen würde, im Schatten des Jhag da drüben rumzuschleichen, wäre ich wahrscheinlich lieber in unserem Quartier geblieben.«
    »Die Entscheidungen, die du triffst, Samar Dev«, antwortete er, »müssen unbedingt und ausschließlich aus eigenem Antrieb erfolgen. Und sich vernünftigerweise von meinen oder denen anderer Menschen unterscheiden. Es heißt, dass die Geschichte zwischenmenschlicher Konflikte ausschließlich auf dem Aufeinandertreffen unterschiedlicher Erwartungen beruht.«
    »Ist das so?«
    »Darüber hinaus …«
    »Hör auf mit deinem >darüber hinaus<, Rangältester Beurteiler. Kompromisse entstehen dadurch, dass man über Erwartungen verhandelt. Über deine eigenwilligen Ideen verhandeln wir nicht, und deshalb bin ich diejenige, die hier Kompromisse schließt.«
    »Ganz nach Belieben.«
    Sie dachte kurz daran, ihn zu schlagen, beschloss dann aber, keine Szene zu machen. Was war das bloß mit den Männern und ihren Zwangsvorstellungen? »Er wird aller Wahrscheinlichkeit nach sterben, und zwar schon bald.«
    »Das glaube ich nicht. Nein, ich glaube, das wird er ganz bestimmt nicht.«
    Icarium und der Gral nahmen ihre mäandernde Wanderung durch die Menge wieder auf, und nach einem kurzen Augenblick folgte ihnen der Rangälteste Beurteiler, wobei er darauf achtete, dass der Abstand gewahrt blieb. Seufzend setzte Samar Dev sich ebenfalls in Bewegung. Sie mochte diesen Mob um sie herum nicht. Er fühlte sich falsch an. Nervös, überdreht. In den Gesichtern war die Anspannung deutlich zu erkennen, und die Rufe der Straßenhändler klangen schrill und beinahe verzweifelt. Nur wenige Passanten kauften etwas, wie sie bemerkte.
    »Irgendetwas stimmt hier nicht«, sagte sie.
    »Das lässt sich alles mit finanzieller Panik erklären, Samar Dev. Auch wenn du vielleicht glaubst, dass ich nur ihm dort vorn und sonst nichts Beachtung schenke, versichere ich dir, dass ich den Zustand von Letheras - und im weiteren Sinne dieses ganzen Imperiums - beurteilt habe.
     
    Eine Krise zieht herauf. Reichtum ist leider keine unbegrenzte Ware. Systeme wie dieses sind indes davon abhängig, dass man vom Vorhandensein unbegrenzter Ressourcen ausgeht. Diese Ressourcen reichen von billiger Arbeit und ebenso billigen Materialien bis zu einer unersättlichen Nachfrage. Solch eine Nachfrage wiederum hängt von eher noch flüchtigeren Tugenden wie Zuversicht, Willensstärke, vermuteten Bedürfnissen und dem Segen kurzfristigen Denkens ab, die alle für geheimnisvolle und häufig unerklärliche Einflüsse anfällig sind. Wir erleben hier die Auswirkungen einer komplexen geheimen Abstimmung von Faktoren, die dazu dienen, besagte Tugenden zu unterminieren. Darüber hinaus bin ich der Ansicht, dass diese Situation inszeniert wurde.«
    Ihre Gedanken hatten während der Tirade des Rangältesten Beurteilers zu wandern begonnen, aber seine letzte Bemerkung ließ sie aufhorchen. »Letheras wird auf wirtschaftlicher Ebene angegriffen?«
    »Gut formuliert, Samar Dev. Ja, jemand wirkt auf die Situation ein, um einen kaskadierenden Zusammenbruch herbeizuführen. Das ist meine bescheidene Beurteilung.«
    »Bescheiden?«
    »Natürlich nicht. Ich betrachte meinen eigenen Scharfsinn mit Ironie.«
    »Und was bringt das?«
    »Nun ja - es macht mich bescheiden.«
    »Werden wir Icarium und seinem Lieblingsgral den ganzen Nachmittag folgen?«
    »Samar Dev, ich bin der einzige lebende Einwohner von Cabal, der mit eigenen Augen unseren Gott gesehen hat. Ist es da ein Wunder, dass ich ihm folge?«
    Gott? Er ist kein Gott. Er ist ein verdammter Jhag aus der Odhan westlich des Reichs der Sieben Städte. Der unter einem tragischen Fluch leidet … aber tun sie das nicht alle? Eine Gestalt, die sich ein gutes Stück vor Icarium und Taralack Veed befand, erregte ihre Aufmerksamkeit. Eine große, ungeschlachte Gestalt mit einem wie in Scherben zersprungenen Gesicht und einem riesigen Steinschwert auf dem Rücken. »Oh, nein«, murmelte sie.
    »Was ist?«, fragte der Rangälteste Beurteiler.
    »Er hat ihn gesehen.«
    »Samar Dev?«
    Aber er war jetzt hinter ihr, und sie eilte vorwärts, drängte sich grob durch die Menge. Erwartungen? Ganz bestimmt. Ein Kompromiss?

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