Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)
bleiben, achtsam, durften in diesen belasteten Zeiten nichts übersehen. Dass sie ihn und nicht irgendeinen anderen ausgewählt hatte – oder gar selbst hergekommen war –, hatte nichts mit Respekt zu tun. Nein, seine Anwesenheit hatte politische Gründe, und sein bescheidener Rang sollte ganz bewusst die Verachtung des Tempels ausdrücken.
»Sei Zeuge, Endest Silann. Aber bleibe stumm. Du bist eine Präsenz, verstehst du?«
Er verstand.
Sie erschienen beinahe gleichzeitig, einer aus dem Norden, einer aus dem Osten und einer aus dem Süden. Drei Brüder. Drei Söhne. Dies würde ein Treffen von Blutsverwandten werden, und ja, sie würden ihm grollen, denn er gehörte nicht dazu. Tatsächlich gehörte der Tempel selbst nicht dazu. Würden sie ihn wegschicken?
Die Bäume weinten ihr Versprechen eines neuen Lebenszyklus – eines Zyklus, der niemals kommen würde, denn es gab nirgendwo mehr einen Ort, an dem die Staubfäden hätten Wurzeln schlagen können – und das galt für Dutzende von Wegstunden in alle Richtungen. Der Fluss würde Millionen aufnehmen, aber selbst die feinen schwarzen Fäden konnten in seinen Wassern nicht schwimmen, und daher behielt der Fluss, was er aufnahm, und es versank im toten Schlick von Dorssan Ryl. Unser Atem sollte Leben schenken und es nicht nehmen. Unser Atem war ein Geschenk, und dieses Geschenk hat das Schwarzholz verraten.
Dies war und ist unser Verbrechen, und es war und bleibt unverzeihlich.
»Guten Abend, Priester«, sagte Andarist und fügte nach einer kurzen Pause hinzu: »Anomander, es scheint, du hattest recht.«
»Eine einfache Vorhersage«, antwortete Anomander. »Der Tempel beobachtet mich wie ein Schwarm Rhotes einen sterbenden Ginaf.«
Endest blinzelte. Der letzte wilde Ginaf war vor einem Jahrhundert verschwunden, und die silberrückigen Herden donnerten nicht mehr über die südlichen Ebenen; in diesen Tagen kreisten Rhoteschwärme über Schlachtfeldern und nirgendwo sonst – und nein, sie mussten keinen Hunger leiden. Bist du der Letzte, Lord? Willst du das damit sagen? Mutter, segne mich, ich weiß nie, was du eigentlich sagen willst. Niemand tut es. Wir sprechen die gleiche Sprache, aber sie hat nicht die gleiche Bedeutung.
Der dritte Bruder schwieg; seine roten Augen waren auf die Schmieden unter dem westlichen Himmel gerichtet.
»Der Zusammenstoß zwischen Drethdenan und Vanut Degalla nähert sich dem Ende«, sagte Andarist. »Es könnte an der Zeit sein …«
»Sollten wir darüber sprechen?«, unterbrach ihn Silchas Ruin, der sich jetzt endlich umdrehte und Endest Silann ansah. »Nichts von alledem geht den Tempel etwas an. Und einen erbärmlichen Akolythen dritten Grades schon gar nicht.«
Anomander schien nicht daran interessiert, seine Aufmerksamkeit auf Endest Silann zu richten. Angesichts der streitlustigen Worte seines Bruders zuckte er die Schultern. »Auf diese Weise können wir vielleicht sicherstellen, dass der Tempel … neutral bleibt, Silchas.«
»Indem wir ihm alles offenbaren, was wir vorhaben? Wieso sollte der Tempel zu uns irgendein besonderes Vertrauen haben? Was macht uns drei vertrauenswürdiger als … sagen wir Manalle oder Hish Tulla?«
»Die Antwort auf diese Frage ist offensichtlich«, sagte Andarist. »Priester?«
Er konnte die Antwort verweigern. Er konnte Unwissenheit vortäuschen. Schließlich war er nichts weiter als ein Akolyth dritten Grades. Stattdessen sagte er: »Ihr drei steht hier nicht und versucht, einander zu töten.«
Andarist lächelte Silchas Ruin an.
Der ein finsteres Gesicht machte und den Blick wieder abwandte.
»Wir haben Dinge zu besprechen«, sagte Anomander. »Andarist?«
»Ich habe bereits Beauftragte in beide Lager geschickt. Ein Angebot zu vermitteln. Verschleierte Andeutungen möglicher Bündnisse gegen den Rest von euch. Der Schlüssel wird darin liegen, Drethdenan und Vanut in einen Raum zu bekommen, die Waffen in der Scheide.«
»Silchas?«
»Sowohl Hish als auch Manalle haben unserem Pakt zugestimmt. Manalle macht mir immer noch Sorgen, Brüder. Sie ist keine Närrin …«
»Aber Hish ist eine?«, lachte Andarist – ein unerträglich leichtes Lachen angesichts des Verrats, über den sie sich unterhielten.
»Hish Tulla ist nicht raffiniert. Ihre Wünsche sind offensichtlich. Es ist, wie alle sagen: Sie lügt nicht. Nein, Manalle ist misstrauisch. Schließlich spreche ich über das größte aller Verbrechen – darüber, das Blut von Verwandten zu vergießen.« Er machte eine
Weitere Kostenlose Bücher