Das Spiel der Nachtigall
mich wiederholen zu müssen. Im Nachwort hat dieses Zitat jedoch Eingang gefunden.
Hand aufs Herz: Für wen schlägt Ihr Herz mehr, für Walther oder für Judith?
Tanja Kinkel: Ich bin Polygamistin, was meine Romanfiguren betrifft.
Sänger, Badehäuser und brennende Eselshufe
Tanja Kinkel über die Recherche für ihren Roman »Das Spiel der Nachtigall«
Im Nachhinein ist jedermann schlauer als vorher. So geht es natürlich auch einem Autor, der intensiv zu einem Thema recherchiert, egal wie stark er davor bereits im Thema war. Ich habe für Sie einige Stichpunkte aus meiner Recherchearbeit für »Das Spiel der Nachtigall« zusammengestellt – auf viele dieser Details werden Sie beim Lesen meines Buches wieder treffen.
Mutig oder übermütig?
Für meinen zweiten Roman, »Die Löwin von Aquitanien«, hatte ich mich bereits mit dem Thema der Troubadoure und Minnesänger beschäftigt; der Großvater meiner damaligen Hauptfigur, Eleonore von Aquitanien, gilt als der erste Sänger, der Dichtungen und Lieder schuf, die nicht für die Kirche bestimmt waren. Hundert Jahre später entwickelte Walther von der Vogelweide diese Kunst entscheidend weiter und gilt noch heute als ihr größter Meister.
Obwohl wir wissen, dass Minnesänger häufig mit Trommeln, Leiern, Pfeifen, Kastagnetten und Lauten begleitet wurden, sind die Melodien zu Walthers Dichtungen leider nicht überliefert. Einige seiner Werke waren wohl auch reine Sprachdichtungen – und diese waren es dann auch, welche ihn unsterblich machten. (Für meinen Roman habe ich übrigens auf Übertragungen seiner Texte aus dem 19. Jahrhundert zurückgegriffen und diese, wo es mir nötig erschien, an den heutigen Sprachgebrauch angepasst.) Anders als seine Zeitgenossen löste Walther sich von allen Vorgaben, die noch auf die dogmatischen Moralvorstellungen der Kirche zurückgingen, und machte neben der erwiderten auch die körperliche Liebe zwischen Mann und Frau, wie auch das freie Denken aller Menschen zu seinem Credo.
Man darf nicht vergessen, dass es damals keine Zeitungen gab; Informationen wurden größtenteils von den Kanzeln der Kirchen verbreitet. Natürlich wurde dort nur gepredigt, was den jeweiligen Mächtigen genehm war. Kritik am Klerus und den Fürsten war lebensgefährlich – und doch spottete Walther über Ritter, Könige und Kaiser genauso wie über Priester, Äbte, Bischöfe, selbst über den Papst. Wie gefährlich er dadurch lebte, kann man sich heute kaum noch vorstellen. Aber gerade wegen seiner schonungslosen Offenheit erreichte Walther das Ohr des Volkes, das ihn liebte, auch weil er einer der Ihren war, dem seine Ratschläge wichtiger waren als Almosen, welche sich die Herrschenden in guten Zeiten dann ohnehin wieder zurückholten. So blieb den Fürsten kaum eine andere Wahl, als seine Dienste zu suchen. Ganz egal, ob Walther mutig oder übermütig war: Kein anderer deutscher Dichter und Sänger hat über Jahrhunderte je solchen Einfluss auf die Menschen und politischen Entwicklungen genommen.
Hinter jedem starken Mann steht eine starke Frau
Viele Menschen haben heute ein romantisiertes Bild des Mittelalters – aber gerade für Frauen war es keine gute Zeit, denn sie hatten so gut wie keine Rechte. Alles, was sie besaßen, gehörte automatisch ihrem Mann. Wollte dieser beispielsweise ihre Mitgift verkaufen, so bedurfte dies zwar offiziell ihres Einverständnisses, doch eine Weigerung konnte als Treuebruch angezeigt werden, was mit gesetzlich sanktionierten Schlägen geahndet wurde. Überhaupt galt es als normal, dass Männer ihre Frauen züchtigten; ertappte er sie beim Ehebruch, durfte er sie sogar töten, ohne mehr als eine Geldstrafe befürchten zu müssen (umgekehrt war dies natürlich undenkbar). Die Höhe richtete sich unter anderem danach, ob die Frau schwanger war, und nach ihrem Alter, wobei für eine alte Frau nur noch zwanzig Prozent dessen bezahlt wurde, was für eine junge fällig gewesen wäre.
Man darf es als Ironie der Geschichte bezeichnen, dass ausgerechnet die Kriege der Männer dazu beitrugen, dass sich die Situation in gewisser Weise für die Frauen verbesserte: Die vielen Witwen mussten ihre Familien selbst ernähren, weswegen ihnen ab dem 11. Jahrhundert erlaubt wurde, selbst ein Gewerbe auszuführen und Handel zu betreiben.
Als Gegnerin, Verbündete und Geliebte kam für Walther in meinem Roman nur eine gebildete Frau in Frage, die ihm intellektuell auf Augenhöhe begegnen konnte. Ich wollte nicht auf eine
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