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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Kindheitsszenen, sondern ich beginne mit seiner Ankunft bei Wien.

    Sie stellen Walther von der Vogelweide eine überaus starke Frauenfigur an die Seite – warum haben Sie sich nicht auf seine Perspektive beschränkt?
    Tanja Kinkel: Judith, Walthers große Liebe, habe ich erfunden, weil ich eine komplexe Beziehung schildern wollte – im Rahmen der Wahrscheinlichkeit in dieser Zeit, versteht sich –, bei der beide Partner manchmal im Recht, manchmal im Unrecht sind. Das schien mir passend, weil Walther schließlich selbst die Erwiderung von Gefühlen und die Ebenbürtigkeit zwischen Mann und Frau forderte. Außerdem habe ich meinen letzten Roman, »Im Schatten der Königin«, zum größeren Teil aus der Perspektive eines Mannes geschrieben. Danach trieb es mich einfach wieder dazu, einer Frau genau den gleichen Erzählraum zu geben. Überdies konnte ich durch Judith Aspekte in meinen Roman einbringen, die Walther allein entweder übersehen oder nie erfahren hätte; als Frau, Ärztin und Jüdin erlebt sie oft eine ganz andere Wirklichkeit als er.

    Sie schneiden es bereits an: Als unverheiratete Frau und Jüdin gehört Judith sicher zu den Menschen, die in der damaligen Zeit am wenigsten Rechte hatte. Was hat Sie daran gereizt?
    Tanja Kinkel: Da mein erster Mittelalterroman, »Die Löwin von Aquitanien«, aus der Perspektive der Herrschenden geschrieben war, kam es mir darauf an, diesmal beide Hauptfiguren zu den Beherrschten gehören zu lassen. Deswegen konnte Judith auch keine Edeldame sein. Selbst jede noch so abenteuerlich gesinnte christliche Bürgersfrau hätte weniger erleben, weniger in dauernder Gefahr schweben können als sie. Einen Romancharakter entwickelt man nicht zuletzt über die Hindernisse, die man ihm oder ihr in den Weg legt, und so viele Hindernisse wie Judith hatten bisher nur Saviya, die Zigeunerin in »Die Puppenspieler«, und die Zwergin und Sklavin Andromeda in »Venuswurf«.

    Glauben Sie, dass es eine Frau wie Judith damals wirklich gegeben haben könnte?
    Tanja Kinkel: Ich glaube es nicht nur, ich weiß es. Ein Jahrhundert vor Judith wirkte die Ärztin Trota in Salerno. In Frankfurt am Main und in Mainz sind im 13. Jahrhundert, nur ein paar Jahre, nachdem mein Roman 1212 endet, sogar fünfzehn Ärztinnen nachgewiesen. Eine von ihnen war die jüdische Augenärztin Zerlin, die aktenkundig wurde, weil ihr die Stadt wegen ihres Könnens und ihrer Reputation gestattete, außerhalb des Ghettos zu wohnen, was der von Walther so angegriffene Papst Innozenz im Jahr 1215 für Juden in Europa durchsetzte.

    Wie immer beeindruckt Ihr Roman auch durch viele Nebenfiguren, die ungemein plastisch und oft ausgesprochen liebenswert aus den Zeilen hervortreten – die realen Irene von Byzanz, Beatrix von Schwaben und Jutta von Meißen genauso wie die erfundenen Figuren Stefan, Markwart und Gilles. Welche von ihnen liegt Ihnen besonders am Herzen?
    Tanja Kinkel: Sie sind alle meine Kinder. Bei den erfundenen ist Stefan, Judiths Onkel, derjenige, dessen Szenen mir beim Schreiben am meisten gegeben haben, weil er über weite Strecken des Romans eine antagonistische Position einnimmt, aber es mir trotzdem sehr wichtig war, ihn nicht zu dämonisieren, sondern klarzumachen, warum er so handelt, wie er es tut. Aber Gilles ist von allen erfundenen Menschen derjenige, den ich sofort zum Abendessen einladen würde!
    Was die historischen Figuren betrifft, so war es ein Genuss, Irene, Beatrix und Jutta, die in den historischen Quellen kaum mehr als Fußnoten sind, zu dreidimensionalen Charakteren zu entwickeln, aber es nahm mich auch sehr mit, angesichts dessen, was die Geschichte nun einmal für Irene und ihre Tochter Beatrix bereithielt. Ich wollte die beiden am liebsten an der Hand nehmen und mit ihnen fortlaufen. Da war es eine Erleichterung, Jutta von Meißen als Überlebenskünstlerin zu schildern, als jemanden, die einige Leser zuerst vielleicht als Antagonistin erwarten, die sich aber dann sowohl für Judith als auch für Walther als etwas ganz anderes herausstellt.

    Die historischen Fakten, die Sie in Ihren Roman einfließen lassen, hätte sich ein Hollywood-Drehbuchautor kaum besser ausdenken können – was für eine Zeit! Wie fühlt es sich an, so etwas als Roman umzusetzen?
    Tanja Kinkel: Es machte Spaß und hat nur hin und wieder die Besorgnis erweckt, dass die Leser die unwahrscheinlichsten Ereignisse für meine Erfindung halten könnten! Gebadet wurde nackt, aber mit Hut. Niesen und sieben bis neun

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