Das Spiel geht weiter
seinem Büro über der bunten Glitzerwelt des Casinos und streifte mit einem kurzen Blick die Überwachungsmonitore. Es waren mehr als nur ein paar Unermüdliche, die in der Nacht zuvor angefangen hatten und immer noch weitermachten. Aufreizende Abendkleider saßen Hüfte an Hüfte mit ausgewaschenen Jeans.
Zehn Uhr morgens, zehn Uhr abends – in Las Vegas machte das keinen Unterschied. Hier gab es keine Zeit, keine Kleiderordnung … und für manche auch keine Realität außer der des Glücksrads.
Mac ignorierte das Piepsen eines ankommenden Fax, nippte an seinem Kaffee und wanderte durch den Raum, während er mit seinem Vater telefonierte. Er konnte sich bestens vorstellen, dass sein Vater im Moment genau das Gleiche tat, drüben in seinem Büro in Reno.
»Ich unterhalte mich in ein paar Minuten mit ihr«, fuhr Mac fort. »Ich wollte sie erst ein bisschen zu sich kommen lassen. Sie war letzte Nacht völlig durcheinander.«
»Erzähl mir von ihr«, forderte Justin seinen Sohn auf.
»Da gibt es nicht viel zu erzählen. Bis jetzt weiß ich kaum etwas über sie. Sie ist jung.« Er ging weiter im Zimmer herum und warf ab und zu einen Blick auf die Monitore, achtete auf die Positionen der Sicherheitsleute, das Benehmen seiner Kartengeber an den Spieltischen. »Nervös. Sie wirkt fast, als ob sie auf der Flucht wäre. Hat wohl irgendwo anders Schwierigkeiten gehabt. Man merkt ihr an, dass sie hier keineswegs in ihrem Element ist.«
Er versuchte sich Darcy zu vergegenwärtigen und sich an den Klang ihrer Stimme zu erinnern. »Ich würde sagen, sie stammt aus einer Kleinstadt im Mittleren Westen. Erinnert mich an eine Kindergärtnerin. Eine von denen, die alle Kinder abgöttisch lieben und gleichzeitig problemlos um den Finger wickeln können. Als sie ins Casino kam, war sie fast völlig abgebrannt.«
»Klingt, als sei ihr Glückstag gewesen. Irgendjemand gewinnt immer, dann kann es genauso gut eine abgebrannte Kleinstadt-Kindergärtnerin sein.«
Mac grinste. »Sie entschuldigt sich ständig. Nervös wie ein Mäuschen in einem Katzenkloster. Irgendwie süß.« Er musste an diese großen goldbraunen Augen denken. »Und erschreckend naiv. Die Wölfe werden sie innerhalb kürzester Zeit in Stücke reißen, wenn sie keinen Beschützer findet.«
Am anderen Ende herrschte eine kurze Weile Schweigen. Dann: »Hast du vor, dich zwischen sie und die Wölfe zu stellen, Mac?«
»Nur, sie in die richtige Richtung zu lenken«, brummte Mac und lockerte die verspannten Schultern. In der Familie hatte er den Ruf, sich unweigerlich auf die Seite der Schwachen zu schlagen. »Die Presse hämmert schon an die Tür. Die Kleine braucht einen Anwalt und eine klare Linie, denn nach den Wölfen warten schon die Geier.«
Er stellte sich vor, wer alles mit Vorschlägen an sie herantreten, um Spenden bitten und Geldanlagen vorschlagen würde. Nur ein Bruchteil davon würde seriös sein, und der Rest würde das alte Spiel spielen. Sich das Geld greifen und verschwinden.
»Halte mich auf dem Laufenden.«
»Mach ich. Wie geht’s Mom?«
»Gut. Zieht heute hier irgendeine große Wohltätigkeitsshow auf. Und sie hat auch schon verlauten lassen, dass wir bei dir vorbeischauen sollen, bevor wir uns wieder Richtung Osten begeben. Nur eine kurze Stippvisite«, fügte Justin schnell hinzu. »Das Baby fehlt ihr.«
»Aha.« Mac grinste in sich hinein. Er wusste ganz genau, dass sein Vater über glühende Kohlen laufen würde, um das Enkelkind in Boston zu sehen. »Wie geht’s der kleinen Anna denn?«
»Großartig, ganz großartig. Sie zahnt gerade. Gwen und Bran bekommen im Moment nicht sehr viel Schlaf.«
»Das ist der Preis, den man für das elterliche Glück zahlen muss.«
»Ja, ich hatte auch ziemlich viele durchgemachte Nächte wegen dir, mein Sohn …«
»Tja, wie ich schon sagte«, Macs Grinsen wurde noch breiter, »wenn man sich für so etwas entscheidet …« In diesem Augenblick klopfte es schüchtern an der Tür. Mac schaute auf. »Das ist bestimmt die nervöse Elfe.«
»Wer?«
»Unsere frischgebackene Millionärin. Herein«, rief er. Dann winkte er Darcy, die zögernd auf der Schwelle stehen blieb, zu sich. »Ich ruf dich bald wieder an. Richte Mom alles Liebe von mir aus.«
»Ich bin ziemlich sicher, dass du ihr das in ein paar Tagen selbst sagen kannst.«
»Fein, also bis dann.«
Kaum hatte er aufgelegt, setzte Darcy zu einer Entschuldigung an. »Es tut mir leid. Ich wusste nicht, dass Sie telefonieren. Ihre Assistentin,
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