Das Spiel ist aus, wenn wir es sagen
groß für mein Gesicht sind. Wenigstens leuchten sie unter dem Metallic-Lidschatten, den ich mir aus dem Theaterschminke-Fundus geliehen habe, blauer als sonst.
Auf meinem Handy ploppt die Werbung eines Modeversands auf, die mir zeigt, wie toll ich in einem der neuen Sommerkleider aussehen würde. Sommerkleider sind etwas, was man in Seattle selten braucht, vor allem im April, aber dieses fliederfarbene Kleid mit dem weit schwingenden Rock ist unwiderstehlich, deshalb lade ich ein Foto von mir hoch und gebe meine Größe und mein Gewicht an: eins dreiundsechzig und einundfünfzig Kilo. Während ich noch mit mir hadere, welche Angaben ich sonst noch machen soll, erklingt im Umkleideraum der Jungen ein vertrautes Lachen, dem kurz darauf sein Besitzer folgt. Matthew stellt sich so dicht neben mich, dass sich unsere Schultern berühren. Na ja, meine Schulter berührt seinen footballgestählten Bizeps.
Er neigt sich zu mir herunter, dass sein Mund fast mein Ohr berührt: » 75 B, stimmt’s? «
Ups, wie hat er meine Angaben auf dem Display so schnell erkennen können? Ich drehe das Handy so, dass er nicht mehr draufschauen kann.
» Das geht dich nichts an. «
Und außerdem habe ich eher Körbchengröße 75 A, vor allem heute Abend mit dem dünnen BH , der keine Wunder vollbringen kann.
Er lacht. » Du erzählst das gerade total Fremden, warum also nicht mir? «
Ich schalte das Display aus. » Das ist nur eine bescheuerte Werbung, kein richtiger Mensch. «
Er dreht sich um, sodass wir uns gegenüberstehen, stützt die Unterarme rechts und links von meinem Kopf an die Wand und sagt mit seiner seidenweichen Stimme, die sich immer so anhört, als würde er einem gerade ein Geheimnis verraten: » Ich würde dich total gerne in diesem Kleid sehen. «
Ich verstecke das Handy hinter dem Rücken. » Echt? « Im Vergleich zu seiner Stimme klingt meine eigene wie quietschendes Plastik. Ganz toll.
Er greift um mich herum und nimmt mir das Handy weg.
» Vielleicht aber auch in etwas, hm, Bequemerem… « Er stellt sich wieder neben mich, tippt auf dem Telefon herum und hält mir ein Bild von mir in weißer Unterwäsche vor die Nase. Meine Brüste sind überlebensgroß, mindestens im D-Bereich.
Mir steigt die Röte in die Wangen. » Witzig. Wie wäre es, wenn wir jetzt eins von dir machen? «
Er fängt an, sein Hemd aufzuknöpfen. » Super Idee. Ich stehe als Modell zur Verfügung. «
Im Gang wird es plötzlich sehr stickig. Ich räuspere mich.
» Äh, du musst dein Kostüm anbehalten, also fangen wir doch lieber mit deinem virtuellen Ich an, ja? «
Oh Mann, kann man noch unverführerischer klingen?
Seine Augen glitzern noch grüner als sonst. » Gern, sobald wir damit fertig sind, die kleine Vee neu einzukleiden. «
Er fängt an, verschiedene Slips und Bikinis für mich auszusuchen. Jedes Mal wenn ich ihm das Handy wegnehmen will, hält er es lachend hoch. Ich versuche es mit einer anderen Taktik, mit Gleichgültigkeit. Fast funktioniert es und ich überrasche ihn mit einer blitzschnellen Bewegung. Nicht schnell genug, um mein Handy tatsächlich wiederzubekommen, aber immerhin treffe ich das Display an der richtigen Stelle, sodass sich die Modeseite schließt. Stattdessen taucht eine andere Seite mit der Werbung für ein Spiel auf: Risk. Ein Online-Spiel, das ein bisschen wie Wahrheit oder Pflicht ist, nur ohne die Wahrheit.
Unter einem Banner, auf dem steht: Guck mal, wer da spielt!, sind drei kleine Videolinks von Jugendlichen zu sehen, die verschiedene Challenges bestehen müssen.
Matthew zieht die Augenbrauen hoch. » Hey, lass uns mal das Mädchen ansehen, das den Ladendiebstahl spielen muss. «
Er hält das Handy so, dass wir uns gemeinsam das Video eines Mädchens mit einer Unmenge von Piercings anschauen können, die sich Nagellackfläschchen in die Taschen ihrer Camouflage-Hose steckt. Auch wenn sie nur so tut, als würde sie klauen, sieht schon allein diese Hose ziemlich verboten aus. Und wie kommt sie mit dem ganzen Metall im Gesicht durch die Sicherheitsschleuse am Flughafen, wenn sie mal verreist? Als ob sie meine fiesen Gedanken hören könnte, dreht sie sich in dem Moment zur Kamera und zeigt ihr den Mittelfinger. Das Bild zoomt auf ihr leicht unheimliches, wolfartiges Gesicht und ich ziehe unwillkürlich die Schultern hoch. Mit einem Grinsen marschiert sie aus dem Laden auf den Parkplatz, wo sie sich mit Nagellack ein blutrotes X auf die Stirn malt. Sie hat die Fläschchen also tatsächlich
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