Das Spiel seine Lebens
überrascht gewesen, dass sie nichts Obszönes gesagt hatte. »Telefonsex gibt es also nur auf den anderen Leitungen?«
»Genau. Für die braucht man nämlich eine echte Zustimmung des Anrufers. So sieht es zumindest die Regierung. Jeder Idiot kann eine 900er-Nummer anrufen. Das wird automatisch abgerechnet. Praktisch sofort, nachdem man angerufen hat, fängt der Gebührenzähler an zu ticken. Bei 800er oder den anderen Nummern läuft das anders. Da muss man entweder seine Kreditkartennummer angeben oder eine Callback-Nummer wählen, über die dann abgerechnet wird.«
»Das ganze Gerede, dass 90oer-Nummern obszön sind -«
»Ist Blödsinn«, beendete Lucy seinen Satz. »Das sind Mogelpackungen. Auf diesen Leitungen dürfen wir kein schmutziges Wort sagen. Wir benutzen sie vorwiegend als Köder, weil sie so einfach anzurufen sind. Der Typ braucht bloß einmal zu wählen. Keine Kreditkarte. Kein Callback. Meistens reden wir vom Nacktbaden oder Massagen - aufreizend, aber kein Sex. Um ihn in Stimmung zu bringen. Wenn Sie wissen, was ich meine.«
»Ja, ich denke schon.«
»Die Typen sind sowieso geil. Bei den meisten ist er so hart, dass sie ihn in ein Astloch stecken würden, um sich einen run terzuholen. Wir versuchen dann, den Anrufer dazu zu bringen, als Erster etwas Obsz önes zu sagen, was meist nicht weiter schwierig ist. Wenn das passiert, sagen wir : »Oh, Baby, auf dieser Leitung darf ich nichts Schmutziges sagen, aber wenn du eine Kreditkarte hast, kannst du mich unter dieser oder jener Nummer anrufen.« Der Typ ruft da an und zahlt noch mal.«
»Haben die keine Angst vor dem Abbuchungsbeleg für die Kreditkarte?«, fragte Myron. *
Lucy sch üttelte den Kopf. Sie wogte immer noch. Es war gleichzeitig irritierend und erregend. »Die meisten Firmennamen sind ziemlich unscheinbar«, erläuterte sie. » Auf den Rechnungen steht dann Norwood Incorporate oder Telemark - nicht Heiße Lesben oder Scharfe Starlets. Wollt ihr's mal sehen?«
»Was sehen?«
»Oben, die Zentrale. Von der wir einen Teil der Anrufe beantworten. Viele arbeiten zu Hause, aber ich hab oben sechs oder sieben Leute sitzen, die gerade die Leitungen bedienen.«
Myron zuckte die Achseln. »Yeah. Warum nicht. «
Lucy f ührte sie eine Treppe hinauf. Die Luft im Treppenhaus stank Ekel erregend. Auf dem Treppenabsatz öffnete Lucy eine Tür. Sie gingen hinein und schlossen sie schnell wieder.
»Das sind die Fantasy Forever Lines«, sagte Lucy. »Und außerdem Schwanzlutscher, die Dicke-Dinger-Line, Telefun und ungefähr ein Dutzend andere.«
Myron traute seinen Augen nicht. Ihm fiel die Kinnlade herunter. Mit h ässlichen Frauen, dicken Frauen oder alten Frauen hatte er gerechnet. Aber das hatte er nicht erwartet.
Es waren lauter M änner. Bis auf eine Frau saßen da nur Männer.
»Für Schwule?«, fragte Myron.
Lucy sch üttelte lächelnd den Kopf. »Es rufen nur sehr wenige Schwule an. Vielleicht ein Anrufer von hundert.«
»Aber... das sind Männer.«
Myron Bolitar, der Inbegriff scharfer Beobachtungsgabe.
Er h örte, wie ein Mann mit rauer Fernfahrerstimme sagte: »Jaa, starker Mann, schieb ihn mir ganz tief rein. Genauso. Oh ja, das fühlt sich gut an.«
Lucy l ächelte dem Mann zu. Er verdrehte die Augen und machte weiter: »Hör jetzt nicht auf, du Hengst. Reite mich.«
Myron stellte erfreut fest, dass Esperanza ebenso verwirrt aussah wie er.
»Das ist heutzutage so«, sagte Lucy. »Männer sind billigere Arbeitskräfte als Frauen. Die meisten Mädels gehen auf den Strich. Das hier sind ihre Brüder, Cousins und andere Jungs von der Straße.«
»Aber ihre Stimmen —«
»Es ist ein Voice Changer zwischengeschaltet. Sharper Image verkauft sowas, aber ich kriege sie im Village günstiger. Mit denen kann man dafür sorgen, dass kleine Mädchen wie Barry White klingen und umgekehrt. Die Männer hier können wie eine rauchige Frauenstimme klingen, wie ein Teenager oder wie ein kleines Mädchen - was immer die angewählte Leitung verlangt.«
Myron war perplex. »Wissen die Anrufer das?«
»Natürlich nicht.« Sie wandte sich an Esperanza. »Dämlich. Aber irgendwie ist er niedlich.«
Myron Bolitar, der Schwarm lesbischer Frauenherzen.
Der Raum sah aus wie eine Telefonzentrale. Lauter HighTech-Telefone. Zig Leitungen leuchteten auf, f ür jede zu spielende Rolle eine. Geile Hausfrau. Domina. Crossdresser. Vollbusige Jungfrau. Sogar Fußfetisch. Außerdem hatte jeder Angestellte noch ein Telefon für die Überprüfung von
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