Das Spiel seine Lebens
zuletzt.«
»Das ist nicht wahr.«
Myron sch üttelte den Kopf. Dafür war jetzt keine Zeit. »Und was ist passiert, nachdem Sie Kathy Ihren großartigen Rat haben zuteil werden lassen?«
Dekan Gordon versuchte, die Achseln zu zucken, was ihm aber nicht gelang. »Sie hat mich seltsam angesehen, als wäre ich ihr in den Rücken gefallen, obwohl ich ihr doch nur helfen wollte. Vielleicht hat sie meine Worte auch so aufgefasst wie Sie. Ich weiß es nicht. Sie stand auf und sagte, sie würde morgen früh zurückkommen und Anzeige erstatten. Dann ist sie gegangen. Bis das Magazin in meiner Post war, habe ich nichts mehr von ihr gehört. Dann war da noch dieser nächtliche Anruf vor ein paar Tagen.«
»Was für ein Anruf?«
»Vor ein paar Tagen hat spät nachts jemand angerufen. Eine Frauenstimme - vielleicht Kathys, vielleicht auch nicht - sagte: »Viel Spaß mit dem Magazin. Komm mich holen. Ich habe überlebt.«
»»Komm mich holen. Ich habe überlebt.«
»Oder so ähnlich, ja.«
»Was soll das bedeuten?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Was haben Sie gedacht, als Sie zum ersten Mal von Kathys Verschwinden hörten?«
»Dass sie weggelaufen ist. Dass es ihr zu viel geworden war. Ic h dachte, sie w ürde zurückkommen, wenn sie so weit ist. Die Polizei hat das Gleiche gedacht, bis sie ihre Unterwäsche gefunden haben. Dann gingen sie davon aus, dass es sich um ein Gewaltverbrechen handelte. Aber ich wusste, dass die Unterwäsche vermutlich von der Vergewaltigung stammte, nicht von ihrem Verschwinden. Also habe ich weiterhin gedacht, dass sie weggelaufen ist.«
»Der Gedanke, dass die Vergewaltiger sie zum Schweigen bringen wollten, ist Ihnen nicht gekommen?«
»Doch, dran gedacht habe ich schon. Aber diese Jungs sind nicht in der Lage -«
»Vergewaltiger«, unterbrach Myron ihn. »»Jungs«, die eine Massenvergewaltigung an einem Mädchen durchgezogen haben, das ihnen nie etwas getan hat. Und die waren Ihrer Meinung nach nicht in der Lage, einen Mord zu begehen?«
»Wenn sie hätte sterben sollen, dann hätten die sie nicht wieder laufen lassen«, erwiderte der Dekan unbeirrbar. »Das habe ich gedacht.«
»Also haben Sie den Mund gehalten.«
Er nickte. »Es war ein Fehler. Das weiß ich inzwischen. Ich hatte gehofft, dass sie nur für ein paar Tage untergetaucht war, um mit sich ins Reine zu kommen. Nach einer Woche wurde mir klar, dass ich jetzt nicht mehr zur Polizei gehen konnte.«
»Sie entschlossen sich, mit der Lüge zu leben.«
»Ja.«
»Schließlich war sie ja bloß eine Studentin. Sie ist in der schwersten Stunde ihres Lebens zu Ihnen gekommen. Und Sie haben sie weggeschickt.«
»Glauben Sie, das ist mir nicht klar?«, schrie er. »Denken Sie, das hätte mich die letzten anderthalb Jahre nicht zerrissen?«
»Yeah, Sie sind ein echter Menschenfreund.«
»Was zum Teufel wollen Sie von mir, Bolitar?«
Myron stand auf. »Kündigen Sie. Sofort.«
»Und wenn ich mich weigere?«
»Dann reiß ich Sie rein, und das wird unangenehmer, als Sie sich vorstellen können. Gleich morgen früh reichen Sie Ihre Kündigung ein.«
Der Dekan blickte auf, st ützte das Kinn auf die Hände. Die Zeit verging. Seine Gesichtszüge wurden sanfter, als massiere ihn jemand. Er schloss die Augen, und seine Schultern sackten herab. Dann nickte er langsam. »In Ordnung«, sagte er. »Danke.«
»Das ist keine Buße. So leicht kommen Sie nicht davon.«
»Ich verstehe.«
»Eins noch: Hat Kathy irgendwelche Namen genannt?«
»Namen?«
»Von den Vergewaltigern?«
Er z ögerte. »Nein.«
»Aber Sie haben einen Verdacht?«
»Er basiert nicht auf greifbaren Fakten.«
»Raus damit.«
»Ein paar Tage nach ihrem Verschwinden hat ein Student mit Geld um sich geworfen. Ein Unruhestifter. Er hatte sich ein BMW-Coupe gekauft, was mir nur aufgefallen ist, weil er damit über den Rasen gefahren ist. Hat tiefe Spuren hinterlassen.«
»Wer?«
»Ein ehemaliger Football-Spieler. Er ist aus der Mannschaft geflogen, weil er Drogen verkauft hat. Er heißt Junior Horton. Alle nannten ihn nur -«
»Horty.«
Myron ging, ohne jedes weitere Wort. Er beeilte sich, aus dem Geb äude herauszukommen. Es war ein schöner Tag. Warm, aber nicht schwül. Die Sonne brannte am späten Nachmittag nicht mehr so heiß; bis sie unterging würde es aber noch eine Weile dauern. Die Luft duftete nach frisch gemähtem Gras und Kirsch bl üten. Myron wollte eine Decke ausbreiten. Er wollte sich darauf legen und an Kathy Culver denken.
Keine Zeit.
Als
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