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Das Spinnennetz

Das Spinnennetz

Titel: Das Spinnennetz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Roth
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gekannt hatte. Auch Elsa haßte die inneren Feinde. Elsa war national. Sie sprach von dem schlechten Duft der Juden. Und Theodor glaubte, sich erinnern zu können, daß Trebitsch jüdisch gesprochen hatte. Benjamin Lenz allein nahm Theodor aus. Er wußte nichts Genaues über Lenz. Aber er wollte auch nichts wissen. Er ordnete Benjamin Lenz unter seine Freunde, wie den jüdischen Journalisten Pisk.
    Und immer, wenn er so vor seiner Frau gesprochen hatte, schwoll am nächsten Morgen sein Zorn gegen die inneren Feinde, und er griff nach seiner blutigen Arbeit mit fleißiger Wollust. Die Verhafteten, die vor ihm standen, was wollten sie eigentlich in Deutschland? Gefielen ihnen die Zustände nicht, weshalb blieben sie? Wanderten sie nicht aus? Nach Frankreich, Rußland, Palästina? Er stellte diese Fragen an die Verhafteten. Einige sagten: »Weil Deutschland meine Heimat ist.« – »Sind Sie deshalb ein Verräter?« fragte Theodor. »Sie sind es selbst!« erwiderten sie. Sie waren froh, wenn man sich mit ihnen auseinandersetzen wollte. Und sie büßten für ihre ungebührliche Antwort auf der Stelle. Der Agent an ihrer Seite zerrieb die Knochen ihrer Handgelenke.
    Manchmal brachte man vor Theodor Blutiggeschlagene, rotes Blut rann über ihre Gesichter. In Theodor flammte das alte rauschende Rot auf, rote Sonnenräder kreisten vor seinem Auge, ein Jubel sang in ihm, Jubel hob ihn hoch, er freute sich, war leicht und beschwingt.
    Einer lebte, dessen Blut er sehen wollte, jener Mann, der ihn verfolgt hatte. Noch sah Theodor das flackernde Haar des Mannes, sein weißes, hassendes Angesicht, den hochgeschwungenen Arm; den Sang des niedersausenden Stockes hörte er und fühlte Schmerz in der geschlagenen Hand. Noch lebte der Mann, der Theodor feige gesehen hatte, ihn, Theodor Lohse, als flüchtigen Feigling. Nach diesem Mann fahndeten alle Spitzel vergebens, sein Versteck suchte man von allen Verhafteten zu erfahren. Bei jeder Meldung, daß ein neuer Häftling angekommen, hoffte Theodor, auf die Spur seines Feindes zu kommen. Die meisten folterte man vergeblich. Sie wußten nichts oder verrieten nichts. Einige teilten Falsches mit. Und hielt man ihnen dann ihre Lügen vor, so lachten sie. Oder sie hatten sich geirrt.
    Nur von einem konnte Hoffnung kommen, von Lenz. Lenz kannte den Mann.
    »Es ist sozusagen Günthers Schwager«, erzählte Lenz. »Eine Art Familienrache. Er will Sie umbringen. Aber ich glaube, ich bin auf seiner Spur.«
    Und immer wieder war es eine falsche Spur. Jeder Morgen brachte Benjamins Besuch und neue Hoffnungen. Jeder Abend enttäuschende, schmerzhafte Kunde.
    Lenz beschrieb ihn genau. Er war der Bruder jenes Mädchens, das Günther geheiratet hätte. Lenz sagte »geheiratet hätte«. Manchmal sagte Benjamin »für das Günther gestorben ist«. Und, wenn er sich vergaß, »für das Sie ihn getötet haben«.
    Und dieses Wort war unangenehm. Theodor sah die aufwärtsgekrampfte Oberlippe, weißes Zahnfleisch, einen schielenden Blick.
    Aber Lenz beschrieb auch jenes Mannes Kleidung und seine Gewohnheiten. Er hatte ihn schon fast gefangen. Nur eine Lücke blieb immer offen, durch die der Gesuchte floh.
    »Wir werden ihn finden«, versicherte Benjamin Lenz.
    Aber er fand nicht den Mann, den Todfeind Theodors.
    »Du hast einen Kummer«, sagte Elsa, »und erzählst mir nichts.«
    »Es ist die Arbeit«, sagte Theodor. Und begann eine Rede über die Ziele der vaterländischen Politik.

XXIX
    Die Nacht verweigerte den Schlaf, und in ihrer rauschenden Stille schwoll Theodors Furcht vor dem unbekannten, schrecklichen Feind.
    Befand er sich jenseits der Grenzen? Lebte er in Theodors Nähe? Lebte er in Theodors Haus vielleicht, als Portier verkleidet? Hatte der Kellner in der kleinen Konditorei gegenüber dem Amt nicht das Gesicht des Feindes? Dieses flackernde Haar? Diese weiße Farbe des Hasses? Den starken, gewichtigen Gang? Die breiten Schultern? Lebte jener Mann in der Uniform des staatlichen Chauffeurs, der Theodors Auto lenkte? Lauerte er nicht hinter jeder Straßenecke, um die Theodor bog? Hatte er nicht in diesem Hause, unter dieses Bett eine Bombe gelegt?
    Theodor machte Licht und ging ein paarmal durchs Zimmer und sah durch das Fenster die stille Nacht in den Straßen und das zuckende Licht der Laterne und lauschte auf Schritte, die fern verhallten.
    Spät, schon graute der Morgen, überwältigte Theodor schwerer Schlaf. Neue Hoffnung brachte der Tag, neue Furcht und die grausamen Stunden des Wartens. Zu

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