Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)
Wasser zu werfen, aß ich es. Ganz langsam. Und es schmeckte ungewöhnlich gut. Aber als ich später meinen Weg fortsetzte, ließ mein angenehmes, nostalgisches Gefühl schnell nach. Dieser ganze Vorfall war eine weitere Mahnung, dass mich mein Cherem mehr berührte, als ich gedacht hatte. Aber nun hat sich der Schmerz des Ausgestoßenseins gelegt, und ich habe kein Bedürfnis, ganz und gar kein Bedürfnis, in eine Gemeinde einzutauchen.«
»Aber Bento, erklären Sie mir: Wie können Sie in einer solchen Einsamkeit leben, wie leben Sie so, wie Sie leben? Sie sind kein von Natur aus kalter, distanzierter Mensch. Davon bin ich überzeugt, denn immer, wenn wir zusammen sind, spüre ich eine so starke Verbindung – von Ihrer wie auch von meiner Seite. Ich weiß, dass zwischen uns eine sehr große Zuneigung besteht.«
»Ja, ich spüre und hege unsere Zuneigung sehr bewusst.« Bento sah Franco einen kurzen Augenblick in die Augen und wandte dann den Blick ab. »Einsamkeit. Sie fragen nach meiner Einsamkeit. Es gibt Zeiten, in denen ich darunter leide. Und es so bedauere, dass ich meine Ideen nicht mit Ihnen teilen kann. Wenn ich versuche, meinen Ideen Klarheit zu verleihen, diskutiere ich sie oft in meinen Tagträumen mit Ihnen.«
»Bento, wer weiß – vielleicht ist das heute unsere letzte Gelegenheit. Bitte sprechen Sie jetzt mit mir darüber. Erzählen Sie mir wenigstens einige Ihrer wichtigsten Gedankengänge, die Sie verfolgen.«
»Ja, nichts lieber als das, aber wo anfangen? Ich beginne bei meinem eigenen Ausgangspunkt – was bin ich? Welcher Art ist mein Kern, mein Wesen? Was ist es, das mich zu dem macht, was ich bin? Was ist es, das mich genau zu diesem Menschen gemacht hat und nicht zu einem anderen? Wenn ich an das Sein denke, scheint mir eine fundamentale Wahrheit offensichtlich zu sein: Wie jedes Lebewesen strebe auch ich danach, in meinem eigenen Sein zu verweilen. Ich würde sagen, dass dieser Conatus , die Sehnsucht danach zu gedeihen, alle Bestrebungen eines Menschen antreibt.«
»Sie beginnen also mit dem einzelnen Menschen und nicht mit dem entgegengesetzten Pol, nämlich der Gemeinschaft, die ich selbst für übergeordnet halte?«
»Aber ich stelle mir den Menschen nicht als ein Geschöpf der Einsamkeit vor. Es ist nur so, dass ich eine unterschiedliche Perspektive zur Idee von Beziehung habe. Ich strebe nach der freudigen Erfahrung, die sich nicht so sehr aus der Verbindung, sondern vielmehr aus dem Verlust des Getrenntseins ergibt.«
Franco schüttelte verwirrt den Kopf. »Nun haben Sie gerade erst begonnen, und schon bin ich verwirrt. Sind denn Verbindung und Verlust von Getrenntsein nicht dasselbe?«
»Es gibt einen feinen, aber entscheidenden Unterschied. Ich will versuchen, es zu erklären. Wie Sie wissen, ist das wichtigste Fundament meines Denkens die Idee, dass wir allein mittels Logik etwas vom Wesen der Natur oder von Gott verstehen können. Ich sage ›etwas‹, denn das eigentliche Sein Gottes ist ein Geheimnis über das Denken hinaus und jenseits davon. Gott ist unendlich, und da wir selbst nur endliche Geschöpfe sind, ist unser Blickfeld begrenzt. Drücke ich mich klar aus?«
»Bis jetzt ja.«
»Um unser Verständnis zu verbessern«, fuhr Bento fort, »müssen wir deshalb versuchen, diese Welt sub specie aeternitatis – vom Aspekt der Ewigkeit – her zu betrachten. Mit anderen Worten, wir müssen die Hindernisse überwinden, die unserem Wissen entgegenstehen und die sich aus der Bindung zu unserem eigenen Ich ergeben.« Bento hielt inne: »Franco, Sie machen ein fragendes Gesicht?«
»Ich kann Ihnen nicht mehr folgen. Sie wollten Ihren Verlust des Getrenntseins erklären. Was ist damit?«
»Geduld, Franco. Das kommt gleich. Zuerst muss ich den Hintergrund schaffen. Wie ich sagte, um die Welt sub specie aeternitatis zu betrachten, muss ich meine eigene Identität abwerfen, das heißt meine Bindung an mich selbst – und alles vom absolut Adäquaten und der wahren Perspektive aus betrachten.Wenn ich das schaffe, höre ich auf, Grenzen zwischen mir und anderen zu erfahren. Sobald das geschieht, strömt eine große Ruhe herein, und kein Ereignis, das mich betrifft, nicht einmal mein Tod, spielt noch eine Rolle. Und sobald andere diese Perspektive erreichen, werden wir einander Freunde sein, werden wir für andere wollen, was wir für uns selbst wollen, und mit Hochherzigkeit handeln. Diese glückselige und freudvolle Erfahrung ist demnach eher eine Konsequenz aus einem
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