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Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)

Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)

Titel: Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvin D. Yalom
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Gesetzes mit folgenden schlichten Worten zusammen …« Bento schlug die Bibel bei einem Lesezeichen im Buch Jesaia auf und las: »›Lasset ab vom Bösen! Lernet Gutes tun, trachtet nach Recht, helfet dem Unterdrückten …‹«
    »Sie sagen also, dass rabbinisches Gesetz nicht das Gesetz der Thora ist?«, fragte Franco.
    »Was ich sage, ist, dass die Thora zwei Arten von Gesetzen kennt: Es gibt das moralische Gesetz, und es gibt Gesetze, die dazu bestimmt sind, Israel als Gottesstaat getrennt von seinen Nachbarn zusammenzuhalten. Leider haben die Pharisäer in ihrer Unwissenheit den Unterschied nicht verstanden und glaubten, dass die Einhaltung der Staatsgesetze auch die Summe der moralischen Gesetze beträfe, während solche Gesetze nur für das Wohlergehen der Gemeinde vorgesehen waren. Sie waren nicht dazu gedacht, die Juden anzuleiten, sondern sie vielmehr unter Kontrolle zu halten. Es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen diesen beiden Gesetzen: die Einhaltung zeremonieller Gesetze führt nur zu öffentlichem Frieden, wohingegen die Einhaltung göttlicher oder moralischer Gesetze zu Glückseligkeit führt.«
    »Nun«, warf Jacob ein, »höre ich richtig? Raten Sie Franco, die zeremoniellen Gesetze nicht zu beachten? Nicht die Synagoge zu besuchen, nicht zu beten, die jüdischen Speisevorschriften nicht zu beachten?«
    »Sie missverstehen mich«, sagte Bento und zog sein kürzlich erworbenes Wissen über die Ansichten Epikurs zu Hilfe: »Ich negiere nicht die Bedeutung des öffentlichen Friedens, doch ich unterscheide sie sehr wohl von wahrer Glückseligkeit.« Bento wandte sich an Franco: »Wenn Sie Ihre Gemeinde lieben, wenn Sie ein Teil von ihr sein wollen, wenn Sie Ihre Familie hier gründen wollen, wenn Sie unter Ihresgleichen leben wollen, dann sollten Sie sich leichten Herzens an Veranstaltungen der Gemeinde beteiligen, und das schließt auch die Befolgung religiöser Pflichten ein.«
    Und wieder an Jacob gewandt: »Soll ich mich noch klarer ausdrücken?«
    »Ich höre, dass Sie sagen, dass wir rituelle Gesetze nur befolgen sollen, um den Schein zu wahren, dass das aber in Wirklichkeit nicht viel zählt, denn das Einzige, worauf es ankommt, ist dieses andere göttliche Gesetz, das Sie noch immer nicht definiert haben«, sagte Jacob.
    »Unter göttlichem Gesetz verstehe ich das höchste Gut, die wahre Kenntnis von Gott und Liebe.«
    »Das ist eine vage Antwort. Was ist wahre Kenntnis?«
    »Wahre Kenntnis bedeutet die Perfektionierung unseres Intellekts, welche es uns erlaubt, Gott umfassender kennen zu lernen. Jüdische Gemeinden sehen Strafen für das Nichtbefolgen ritueller Vorschriften vor: öffentlicher Tadel durch die Gemeinde und den Rabbiner oder in extremen Fällen Vertreibung oder Cherem . Gibt es eine Strafe für das Nichtbefolgen göttlicher Gesetze? Ja, aber es ist nicht eine bestimmte Strafe: Es ist die Abwesenheit des Guten. Ich schätze die Worte Salomons, der sagt: ›Wo die Weisheit dir zu Herzen gehet, daß du gerne lernest … Dann wirst du verstehen Gerechtigkeit und Recht und Frömmigkeit und allen guten Weg.‹«
    Jacob schüttelte den Kopf. »Diese wohlklingenden Worte können die Tatsache nicht verbergen, dass Sie grundlegendes jüdisches Gesetz anzweifeln. Maimonides höchstpersönlich lehrt, dass Gott diejenigen im Jenseits mit Seligkeit und Glück belohnen wird, die den Geboten der Thora folgen. Mit meinen eigenen Ohren hörte ich Rabbi Mortera höchstpersönlich nachdrücklich verkünden, dass jeder, der die Göttlichkeit der Thora leugnet, vom unsterblichen Leben mit Gott ausgeschlossen wird.«
    »Und ich sage, dass diese Worte – ›das Jenseits‹ und ›unsterbliches Leben mit Gott‹ – Worte von Menschen und nicht göttliche Worte sind. Darüber hinaus sind diese Worte nicht in der Thora zu finden, es sind die Begriffe von Rabbinern, die Kommentare zu Kommentaren schreiben.«
    »Nun«, hakte Jacob nach, »höre ich recht, dass Sie die Existenz des Jenseits leugnen?«
    »Das Jenseits, unsterbliches Leben, glückseliges Leben nach dem Tod – ich wiederhole: Alle diese Begriffe sind die Erfindungen von Rabbinern.«
    »Sie leugnen also«, beharrte Jacob, »dass die Rechtschaffenen immerwährende Freude und die Gemeinschaft mit Gott finden werden und dass das Böse geschmäht und ewiger Verdammnis anheimfallen wird?«
    »Es widerspricht der Vernunft zu glauben, dass wir, so wie wir heute sind, nach dem Tode weiterbestehen. Der Körper und der Geist sind zwei Aspekte

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