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Das spröde Licht: Roman (German Edition)

Das spröde Licht: Roman (German Edition)

Titel: Das spröde Licht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tomás González
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Gefühlsausbrüche, zumindest nicht in der Öffentlichkeit. Mit anderen Worten, in dieser Stadt gibt es zwei mögliche Lebensformen: entweder Haltung zu bewahren oder völlig schizoid zu werden und mit sich selbst oder mit Phantomen auf Brücken und Straßen Gespräche zu führen.
    Von da an redeten Strawinsky und ich von anderen Dingen, oder wir schwiegen. »Oh, man!«, sagte er noch zweimal, mit leiser Stimme, als beschäftigte ihn die Sache mit Jacobo weiter. Auf der Seite des Platzes, die an der 4th Avenue lag, hatte sich eine Gruppe von Jugendlichen niedergelassen, braun und schwarz angezogene, dreckige Jungen und Mädchen, die schlecht auf ihren Gitarren spielten, schlecht auf ihren Flöten und schlecht auf ihren Trommeln. Sie trugen Nasenringe und saßen neben ihren großen, dreckigen schwarzen Rucksäcken. Ein Luftzug wehte den Geruch von altem Schweiß zu uns herüber. Etwa um halb fünf kam es dann doch zu einer Umarmung zwischen Strawinsky und mir, aber um uns zu verabschieden, und jeder fuhr mit dem fort, was er vorher im Meer der New Yorker Nacht gemacht hatte.
    Jetzt hätte ich gern Sara hier gehabt, um mir von ihr sagen zu lassen: »Das Letzte ist dir so schön kitschig geraten, David, dass ich dir direkt einen Kuss geben muss.« Manchmal sagte sie so etwas, nicht immer. Nur wenn sie mich zum Nachdenken bringen wollte.
    Das mit dem New Yorker Meer gehört also gestrichen. Den Rückweg nahm ich über Lafayette und Bleecker Street, um mich nicht der Bettelei der stinkenden jungen Leute auszusetzen. In der 2nd Street ging ich an der La Salle-Schule vorbei und blieb an einer Stelle des Friedhofsgitters stehen, von der aus man die Fenster unserer Wohnung sehen konnte. Das Licht drinnen, eingerahmt vom metallischen Schatten des Efeus, der sich am Haus hochrankte, wirkte heimelig, als kenne man an diesem Ort kein Leid. Ich schaute auf das Grab.
    Ellen Louise Wallace, 1880–1975. Sie war fünfundneunzig Jahre alt, als sie in die Leere zurückkehrte.
    Ich schloss die Haustür auf, und plötzlich war Amber neben mir, wie aus dem Nichts. Sie begrüßte mich mit einem Lächeln und erkundigte sich nach Arturo. Ich sagte, sie solle mit raufkommen, Arturo ginge es gut, er sei oben. Amber war bestimmt bei sich zu Hause gewesen, denn alles, was sie trug, außer ihrem Schmuck, war anders als das, was sie ein paar Stunden zuvor angehabt hatte, sogar ihr Make-up war neu. Das T-Shirt war rosa-pastellen; die Hose, eine Pluderhose, war dunkelgrün; und die Sandalen waren aus durchsichtigem Plastik mit einer leicht orangen Tönung. Ein kleiner Vampir aus dem West Village. Wenn sie damals, als wir die schlecht beleuchtete Treppe hinaufstiegen, plötzlich losgeflogen wäre, hätte ich mich bestimmt nicht gewundert. Und heute kann ich mir außerdem vorstellen, wie: Sie wäre wie die Fledermäuse hier in La Mesa geflogen. Wie ein Schmetterling.
    »Amber, wie spät ist es?«
    »Fünf nach fünf«, sagte sie.
    Bist du sicher?, hätte ich beinahe gefragt. Es war, als ob Worte nicht mehr in der Lage waren, die Zeit festzuhalten, als ob ich sie nicht mehr begreifen und Uhren sie nicht mehr messen konnten.

achtundzwanzig
    Ángelas Mann heißt José Luis oder vielleicht Juan Pablo; und ihr Sohn heißt Juan Pablo oder vielleicht José Luis oder auch Juan José.
    »Sag Juan Pablo, er soll morgen bitte kommen und mich zum Notar fahren.« Das ist jetzt nur ein Beispiel, denn das Notariat ist einen Katzensprung entfernt, aber ich komme so schnell nicht auf ein besseres Beispiel.
    »José Luis, Don David. Juan Pablo ist mein Mann.«
    Manchmal sage ich Juan Luis, Luis Pablo oder andere Kombinationen, und meist liege ich falsch und muss korrigiert werden.
    What’s in a name?
    Ángelas Sohn redet ein bisschen viel, ist dabei aber witzig und feinsinnig, und er ist ein sehr guter Fahrer. Auf einer Autofahrt erzählte er die Geschichte von zwei Bauern, wahrscheinlich Vater und Sohn, die er einmal in der Nähe eines Städtchens namens Funza auf einer Weide gesehen hat, wie sie, jeder mit einem Strick bewaffnet, einer sehr großen, offenbar scheu gewordenen Kuh hinterherrannten, einer dieser langbeinigen Holstein-Kühe der Sabana de Bogotá. Die beiden Bauern waren kleingewachsen und hatten das stumpfe Gesicht der Nachkommen der Muisca-Indios, und die Kuh war, wie gesagt, enorm groß. Sie kamen an einen Zaun, den die Kuh, als gäbe es keinen Zaun oder als hätte sie unsichtbare Flügel, mit einem einzigen Satz nahm, während die beiden Bauern

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