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Das stählerne Geheimnis

Titel: Das stählerne Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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stieß die Worte hervor und ließ das Glas sinken, durch das er bisher von der Brücke der »Blue Star« aus die See abgesucht hatte. Wie ein gelbes Pünktchen leuchtete es weit voraus auf der blauen Fläche, wuchs langsam, während die Jacht darauf zuhielt, und stand schließlich wie ein mächtiger Pflock im Ozean, als das Schiff mit rückwärts gehenden Schrauben dicht daneben die Fahrt abstoppte.
    »Der Strang steht, Roddington! Steht hoffentlich unversehrt.«
    Noch während der Doktor es sagte, gingen seine Finger zum Schaltknopf des Echolotes. Ein Druck, ein Knall, der Zeiger des Tiefenmessers lief über die Skala, blieb zitternd auf der »Dreizehn« stehen. Der Doktor kniff die Lider zusammen, als wolle er schärfer sehen, fragte dann:
    »Täuschen mich meine Augen, Mr. Roddington? Ich lese dreizehn ab, nicht fünfzehn Kilometer.«
    Roddington beugte sich dichter über die Skala. »Sie haben richtig gesehen, Doktor Wegener. Es sind dreizehn Kilometer.«
    Zum zweiten, zum dritten und auch zum vierten Male ließ der Doktor den Apparat arbeiten. Drei neue Lotungen; jede von ihnen ergab den gleichen Wert wie die erste. Dreizehn Kilometer war die See an dieser Stelle tief, wo das Rohr stand.
    »Verstehen Sie, wie das möglich ist, Doktor?« fragte Roddington.
    Der Doktor hatte sich in den Stuhl vor dem Instrumententisch fallen lassen und wühlte mit beiden Händen in seinem Schopf. Erst nach minutenlangem Grübeln gab er Antwort.
     

»Es ist wunderbar, Roddington. Über alle Maßen wunderbar und unbegreiflich. Das obere Ende des Stranges hat sich um keinen Meter verschoben, aber der Seeboden, in dem das Rohr steckt, ist zwei Kilometer flacher geworden … Er muß es geworden sein, denn das Lot ist zuverlässig. Nur eine Erklärung vermag ich zu finden. Von allen Seiten her muß sich der Boden zu der tiefsten Stelle hin, an die wir den Strang stellten, herangeschoben haben, ohne das Rohr mit in die Höhe zu nehmen. Unfaßlich, wie das geschehen konnte.«
    James Roddington war tief erblaßt. Seine Knie zitterten, kraftlos ließ auch er sich in einen Sessel sinken. Noch niemals, seitdem die beiden zusammenarbeiteten, hatte Dr. Wegener ihn so verzweifelt und niedergebrochen gesehen.
    »Ich fürchte, Doktor Wegener, alles ist verloren«, kam es tonlos von seinen Lippen. »Der fürchterliche Druck … der entsetzliche, unberechenbare Druck, den die heranschiebenden Magmamassen des Seebodens ausgeübt haben … unmöglich, daß das Rohr ihm widerstehen konnte … Ich hab’s gewagt, das Spiel ist verloren. Es war vergeblich, was ich versuchte.«
    Der Doktor legte dem Zusammengesunkenen die Hand auf die Schulter. »Kopf hoch, Roddington! So schnell gebe ich das Spiel nicht verloren. Sie sagten selbst, der Gesteinsdruck ist unberechenbar. Mit dreifacher Sicherheit habe ich das Rohr gegen den Wasserdruck berechnet. Vielleicht bleibt die Beanspruchung in dieser Grenze.«
    »Ich glaube es nicht, Doktor. Ich kann es nicht glauben«, stöhnte Roddington, »… ein Felsengebirge … zweitausend Meter hoch… keine Stahlwand könnte solchem Druck widerstehen.«
    »Kopf hoch, Roddington!« Dr. Wegener gab ihm einen kräftigen Schlag auf die Schulter. »Erst sehen und nicht verzweifeln!«
    Roddington sah ihn mit abweisenden Blicken an. »Ich sollte jetzt nach Washington, Doktor. Sollte Harding mündlich berichten, wie weit wir gekommen sind. Was soll ich ihm nun sagen?«
    »Sagen Sie gar nichts, Mr. Roddington. Bleiben Sie hier!
    Funken Sie ihm nur, daß der Strang steht und daß die Arbeiten weitergehen.«
    »Und danach, Doktor? Wenn wir an die Stelle kommen, wo das Rohr zusammengequetscht, ungangbar ist? Was soll ich dann sagen?«
    Dr. Wegener war aufgestanden.
    »Nicht unnütz grübeln, Roddington! Wir wollen arbeiten, Tag und Nacht arbeiten, daß wir schnell in die Tiefe kommen; alles weitere müssen wir heute noch der Zukunft überlassen. Vielleicht, Mr. Roddington – ich sage es nicht als einen leeren Trost für Sie – vielleicht war dies zweite Seebeben Ihren Plänen sogar förderlich. In wenigen Tagen werden wir es wissen.«
     
    Und dann lag Roddingtons Werkflotte wieder an ihrer alten Stelle um den Rohrstrang herum, und andere Maschinen und andere Werkleute waren an der Arbeit, um die Förderanlagen in das Riesenrohr einzubauen. Fördermaschinen und Förderschalen, mit denen Menschen zum erstenmal in bisher noch niemals erreichte Tiefen hinabsteigen wollten.
    Fünfzehn Kilometer tief war der gigantische Schacht,

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