Das stählerne Geheimnis
Zeichen für die glückliche Ankunft.
Nicht ohne Grund hatte Frank Dickinson von den Fährnissen der ersten Förderfahrt gesprochen. Noch fehlten ja alle jene Schutz- und Sicherheitseinrichtungen, die zu einer vorschriftsmäßigen Förderanlage gehören; die dazu erforderlichen Kabel waren noch nicht im Schacht verlegt. Nur durch das primitive Mittel eines Pistolenschusses konnte man über die lange Strecke von zweitausendfünfhundert Meter signalisieren.
Aber das Mittel war gut. Roddington glaubte, die Trommelfelle wollten ihm springen, als der Schuß losging. Wie ein riesenhaftes Schallrohr wirkte der Schacht und ließ den Knall des Schusses in ungeschwächter Stärke hoch oben aus der Mündung herausfahren.
»Nicht ganz so schnell wie Elektrizität, aber ebenso wirksam«, sagte der Doktor, als der Donner vergrollte, »sieben Sekunden braucht der Schall von hier nach oben.«
Noch während er es sagte, kletterte er über den Korbrand und stand auf dem schweren Stahlboden, der die Kugel wie eine waagrechte Wand in der Mitte teilte.
»So, da sind wir, Mr. Roddington«, fuhr er fort, »die erste der sechs Etappen wäre erreicht. Ich bin neugierig, wie es in der zweiten aussehen wird. Stellen wir erst einmal den Druckausgleich her.«
Der Schein seiner Lampe fiel auf ein in dem Stahlboden befindliches Ventil. Er kniete davor nieder und begann es aufzudrehen. Ein Gurgeln und Zischen erfüllte den Raum, fast ohrenbetäubend, da die Stahlwand wie ein Resonanzboden wirkte. Luft fiel von oben her in den Schacht ein, pfiff durch das offene Ventil und stürzte weiter in den nächsten Schacht-abschnitt nach unten.
»Unsere Berechnung stimmt, Roddington«, sagte der Doktor, sobald er sich wieder verständlich machen konnte. »Der nächste Abschnitt schluckt verdammt viel Atmosphäre. Bei Kilometer fünf werden wir die vorgesehene Luftschleuse einbauen müssen und bei Kilometer zehn noch einmal.«
Das Geräusch war inzwischen verstummt. Der Luftdruck zwischen den beiden Schlachtabschnitten hatte sich ausgeglichen. Roddington stand im Halbdunkel, und so konnte Dr. Wegener nicht sehen, wie es in seinen Zügen arbeitete, wie er bald rot, bald blaß wurde. Wie im Fieber wirbelten seine Gedanken durcheinander …
Die erste Etappe war geschafft, fünf lagen noch vor ihm. Noch fünfmal vierundzwanzig Stunden Tag- und Nachtarbeit – in fünf Tagen würde er vielleicht in einer noch niemals von eines Menschen Fuß erreichten Tiefe auf dem Seegrund stehen und würde wissen, ob wenigstens der erste Teil seines gigantischen Planes gelungen sei … Unwillkürlich faltete er die Hände wie zum Gebet…
»An die Arbeit, Roddington!« riß ihn die Stimme Wegeners aus seinen Gedanken. Der Doktor warf ein paar schwere Schraubenschlüssel auf den Boden; klirrend polterte Stahl auf Stahl.
Roddington griff zu, und neben ihm arbeitete Dr. Wegener. Eine schwere Schraube nach der andern lösten sie mit ihren Schlüsseln, bis die letzte entfernt war. Dann ließ sich die eingeschraubte Luke herausnehmen. Dunkel klafften darunter die untere Hälfte der Kugel und die Mündung des nächsten Ab-Schnitts.
Dr. Wegener zog Roddington vom Rand fort.
»Vorsicht, mein Lieber! Vergessen Sie nicht, daß wir als die ersten Pioniere hier sind. Hier fehlt noch jede Sicherheitsvorrichtung. Ein Sturz in die Tiefe … ich will Ihnen bei einer anderen Gelegenheit ausrechnen, mit welcher Geschwindigkeit Ihr Leib zweieinhalbtausend Meter tiefer auf den Stahl schmettern würde. Im Augenblick haben wir hier genug getan. Jetzt sind die andern dran, um die nächste Förderanlage einzuhängen. Kommen Sie, Roddington, ich sehne mich nach Licht und Sonne.«
Dann standen sie wieder in der Förderschale, und ein Schuß dröhnte durch das Riesenrohr. Der Doktor zählte langsam die Sekunden. Die Schale setzte sich nach oben in Bewegung. Einige Sekunden mochten sie gefahren sein, als ihnen von unten her ein zweiter Schuß nachdröhnte.
»Was war das, Doktor?« fragte Roddington.
Der Doktor rieb sich verdrießlich die Stirn. »Dumme Sache, Mr. Roddington, daran habe ich nicht gedacht. Es war der Widerhall unseres ersten Schusses, der aus dem zweiten Schachtabschnitt wieder zurückkam. Hoffentlich werden unsere Leute oben das auch begreifen und keine falschen Manöver machen. Die Sache könnte sonst unangenehm für uns werden. Es ist höchste Zeit, daß wir mit dam Einbau der elektrischen Signalanlage beginnen.«
Langsam, sehr langsam, mit kaum fünf Seemeilen in
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