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Das Sterneninferno

Das Sterneninferno

Titel: Das Sterneninferno Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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von ihnen wollte riskieren, die Steuerungsanlage des Schlittens zu benutzen, mit dem Risiko, den Schlitten ganz zu verlieren. Es war ein bizarres, beinahe absurdes Bild – zwei Männer stemmten sich in Gurte und zogen einen Schlitten, der nicht auf Kufen über den unwegsamen Boden glitt, sondern in Kniehöhe schwebte, wie von Geisterhand getragen. Zusammen mit den anderen, die neben und vor ihnen dahinstapften, wirkten sie wie eine Polarexpedition, die zur falschen Zeit am falschen Ort war, auf der Suche nach Eis, das es auf diesem Himmelskörper seit Jahrmilliarden nicht mehr gab. Charity und Dubois leuchteten mit den Scheinwerfern den Weg ab, und hin und wieder stocherten sie mit dem Kolben ihrer Waffen im Mondstaub, um sich zu vergewissern, daß der Untergrund stabil war. Henderson, Steiner und Estevez gingen neben dem Schlitten, die entsicherten Gewehre in den Händen. In regelmäßigen Abständen lösten sie einander in den verschiedenen Rollen ab. Auf diese Weise konnten sie in drei Stunden etwa zwölf Kilometer zurücklegen, bevor die Anstrengung sie langsamer werden ließ. Das Gelände wurde zerklüfteter, immer häufiger schoben sich Felsen wie spitze Zähne aus dem Mondstaub in die Höhe, und Geröll lag an den Hängen, die unmerklich immer mehr Neigung bekamen. Nach anderthalb Kilometern erreichten sie das Ende der Furche, die ihr Schiff hinterlassen hatte. »Ein ziemliches Stück«, sagte Skudder, der wie Harris inzwischen zum dritten Mal vor dem Schlitten stand und deutlich schwerer atmete als am Beginn des Marsches. Charity musterte mit leichtem Entsetzen die großen Felsbrocken, die den Anfang der Schleifspur säumten. Die HOME RUN hatte keinen davon erfaßt, zu ihrer aller Glück, denn an diesen großen Felsgebilden wäre die Hülle zerschellt wie eine Eierschale. Trümmerstücke, die sich beim ersten Aufprall gelöst haben mußten, lagen in kleinen und größeren Kratern. »Wir haben viel Glück gehabt«, meinte Charity nur. »Legen wir eine kleine Rast ein. Wir haben vielleicht die Hälfte geschafft, und von hier an wird es nur noch unübersichtlicher.« Sie bugsierten den Schlitten an ein vier Meter hohes Bruchstück eines Triebwerks heran und hockten sich in ihren Druckanzügen in die Senke, die die Wucht des Aufpralls gegraben hatte. Das pulverisierte Gestein schwebte wie federleichter Nebel um sie herum und senkte sich erst wieder, als sie eine Weile ruhig gesessen hatten. Die Nahrungsaufnahme erforderte glücklicherweise mehr Geschicklichkeit als körperliche Anstrengung. Sie mußten kleine Tuben oder Flaschen an eine Öffnung vor dem Helmkinn anschließen. Innen im Helm war ein kleiner mechanischer Greifarm angebracht, dessen einzige Funktion es war, einen Schlauch bis zwischen die Lippen des Trägers zu führen. Preßte man den Behälter außen am Helm zusammen, dann gelangte bei offener Kupplung ein geschmackloser und farbloser Nährstoffbrei in den Mund des Unglücklichen, der in dem Druckanzug steckte. Charity hing dunklen Gedanken nach, während sie lustlos auf der zweiten Tube herumdrückte, die angeblich Putenfleisch und Senfsoße enthielt. Der pappige Geschmack lenkte ihre Erinnerungen zu einen anderem Teil der Vergangenheit, die vor sechzig Jahren spurlos verschwunden war. Und das wiederum erinnerte sie an ein Versprechen. Nun, dieses Versprechen würde sie halten können. »Skudder«, sagte sie. »Ja?« Er drückte an einer eigenen Plastiktube herum, deren Inhalt ihm keine echte Begeisterung entlocken konnte. »Du wolltest doch wissen, woher der Name MacDonald stammt«, sagte sie. Er nickte in seinem Helm. »Nun«, sagte sie und hob die dritte Tube, die sie in der Hand hielt, »sie waren berühmt für so etwas hier.« Er verzichtete auf eine Antwort. »Damals mußte man nicht auf den Mond, um solche Köstlichkeiten zu genießen«, fügte sie mit aufgesetzter Wehmut hinzu. »Damals, vor sechzig Jahren, da ging man einfach auf die andere Straßenseite oder setzte sich ins Auto; und schon war man da. Jeder konnte sich so etwas leisten.« »Die gute, alte Zeit«, spottete Harris. »Ja«, sagte sie grinsend. Dann drückte sie noch ein letztes Mal die Tube Putenfleisch in Senfsoße zusammen. Ihr Grinsen verschwand. Verdammt, sie vermißte es tatsächlich. »Vielleicht hat die Invasion auch ihre guten Seiten«, murmelte Skudder zwischen zwei Bissen. Gerade als sie zu einer Antwort ansetzte, bemerkte sie aus den Augenwinkeln ein metallisches Blinken am

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