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Das Sternenprogramm

Das Sternenprogramm

Titel: Das Sternenprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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Rechtfertigungsrede ab, was ihn
beschämte. Ihm war bewusst, wo das Problem lag:
Schuldgefühl und Misstrauen, die Abfallprodukte von Unschuld
und Gläubigkeit, schränkten ihn ein und
flößten ihm bei seinem Versuch, sich davon frei zu
machen, Selbstverachtung ein.
    In Sünde geboren und im Frevel groß geworden.
    Guangzhou hatte eine Leitung frei. Er tätigte den Kauf
und transferierte ihn sogleich auf das genannte Konto. Und er
erhielt die Bezahlung. Es war, als sei das Geld niemals
weggewesen. Er überwies es auf das rechtmäßige
Konto und strich die korrekte Gebühr ein. Nichts passiert.
Es war 11.08 Uhr.
    Jemand tippte ihm auf die Schulter. Er wandte sich um,
sorgfältig darauf bedacht, sich nichts anmerken zu
lassen.
    Mrs. Lawson lächelte auf ihn herab.
    »Kleine Pause gefällig?«
    Eine kleine, geschäftige Frau in mittleren Jahren,
schwarzweiß gekleidet, kein Make-up, äußerlich
harmlos und ohne Reiz. Sie war bei der Buchhaltung
beschäftigt. So verschlagen wie eine Schlange, wie es in der
Bibel hieß, und gewiss nicht so harmlos wie eine Taube.
Jordan stellte sich vor, wie er ihr einen Kopfstoß
versetzte und wegrannte. Aber wohin?
    Er nickte, loggte sich aus und folgte ihr ins Büro. Eine
Transaktionsprüfung.
    »Kaffee?«
    »Ja, bitte.«
    Er nahm umständlich auf dem Stuhl in der Ecke des
winzigen Büros Platz. Die Rückenlehne gab nach, deshalb
konnte er sich nicht anlehnen, ohne nach hinten zu sacken, und
wenn man auf der Kante saß, war es schwer, sich zu
entspannen. Mrs. Lawson hatte einen Drehstuhl hinter dem
Schreibtisch aus Kiefernholz. Gestapelte Ausdrucke. Monitore wie
Eidechsenaugen. Kakteen auf dem Fenstersims.
    Sie legte die Handflächen aneinander. »Ich habe ein
Auge auf Sie geworfen, Jordan.« Sie kicherte. »Nicht
in der Weise, dass sich mein Mann Sorgen machen müsste! Sie
sind ein aufgeweckter Bursche, wissen Sie… Nein, gucken
Sie nicht so verschämt. Es ist kein Stolz, wenn man sich
seiner Stärken bewusst ist. Sie besitzen Instinkt, haben ein
Gefühl für die Marktbewegungen. Ich hoffe, Sie steigen
noch ein wenig auf; vielleicht überlegen Sie sich ja mal, zu
einer größeren Firma zu wechseln. Jedenfalls
möchte ich Ihnen keinen Job anbieten.«
    Erneutes Kichern. Jordan lief ein kalter Schauder über
den Rücken.
    »Das heißt… in gewisser Weise schon. Ist
Ihnen in letzter Zeit etwas Ungewöhnliches im System
aufgefallen?«
    Also doch, dachte er. Vielleicht gibt es Gott ja doch, und er
führt einen in Versuchung und liefert einen dann dem Teufel
aus.
    »Ja, allerdings«, sagte Jordan. »Heute
Morgen hat mir ein Schwarzer Planer ein Angebot
gemacht…«
    Mrs. Lawson lachte und hätte beinahe den Kaffee
verschüttet.
    »Gewiss, gewiss. Und in meinem Schreibtisch habe ich
einen Fetzen des Turiner Leichentuchs! Nein, ernsthaft, Jordan,
ich spreche von Mustern bei Vorgängen wie
Subsystemabstürzen, Transaktionsverzögerungen,
Verschlechterung der Reaktionszeiten, die nicht auf
größeres Informationsaufkommen
zurückzuführen sind. Ist Ihnen vielleicht irgendetwas
aufgefallen, das auf Interventionen hindeutet, für die nicht
die Zentralbanken verantwortlich sind? Offen gesagt, liegen
seitens der Börsenaufsicht keinerlei Beweise für
Unregelmäßigkeiten vor« – sie schwenkte
die Hände –, »aber einige kleinere Gemeinden
glauben, irgendetwas stimme nicht im System, es werde auf
der… äh… Glasfaserebene für geheime
nichtkommerzielle Zwecke missbraucht.«
    »Was man auch als Fremdgeschäfte bezeichnen
könnte?«
    Mrs. Lawson schaute überrascht drein.
    »Genau so nennen wir das. Bedauerlicherweise hat dies zu
Gerüchten geführt, zu sehr unangenehmen Gerüchten
– Sie wissen schon. Ein guter Rat, Jordan. Ich an Ihrer
Stelle würde diesen kleinen Scherz von eben nicht
wiederholen.«
    Jordan nickte heftig, vollführte Wischbewegungen mit den
Händen.
    »Nun gut, mein Lieber. Also: Sie werden auf alles
achten, was Sie intuitiv als Abweichung von den erwarteten
Marktbewegungen erkennen, haben wir uns verstanden? Ich nehme an,
Sie wollen wieder an die Arbeit gehen, also einstweilen
danke.«
    Es war 11 Uhr 25.
    Er loggte sich ein und vertippte sich mehrmals beim Passwort.
Die Auftragsliste füllte anderthalb Bildschirmseiten. Jordan
schloss die Augen und atmete tief durch, lockerte die Finger und
machte sich an die Arbeit. Sein Kopf war leer.
     
    Janis achtete kaum auf ihre Worte, als sie die

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