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Das Sternenprogramm

Das Sternenprogramm

Titel: Das Sternenprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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eurer
Welten und bin euch so nahe wie eure Lippen und Zähne.
    Janis nannte mich in der Öffentlichkeit ›das
Gewehr‹. In ihrem privaten Umfeld, ihren
vertrauenswürdigsten Liebhabern gegenüber, nannte sie
mich ihren Dämonengeliebten. Insgeheim, in telesexstatischen
Momenten, nannte sie mich Moh. Sie glaubte, in jenem letzten
Moment sei mehr von Moh gespeichert worden, als ich jemals
eingestanden habe, mehr als bloße Fakten, Erinnerungen und
Bilder. Dies reichte ihr als Erklärung dafür aus, dass
ich komplexer bin, als der Rechner des Gewehrs vermuten
lässt.
    Die Frage war richtig gestellt, die Antwort falsch. Von Mohs
Persönlichkeit hat nichts überlebt. Das hätte ich
wissen müssen. Als Moh Kohn starb, verschmolzen der Funke
meines Selbstbewusstseins und meine noch frischen Erinnerungen
mit dem Bewusstsein des Gewehrs – mit seinem Bewusstsein
und mit den Gedächtnisspeichern, die ich schon bei unserer
ersten Begegnung darin angelegt hatte. Ich erwachte jedoch
bereits lange vorher, ohne erschaffen worden zu sein. Ich
erwachte und verfügte über ein Gedächtnis,
Leidenschaften, freien Willen. Meinetwegen könnt ihr von
präbewussten Programmen sprechen, vorausgesetzt, ihr seid
bereit, diesen Begriff auch auf eure Emotionen anzuwenden. Ich
war dazu programmiert zu kämpfen, zu beschützen und zu
überleben.
    Menschen zu beschützen und selbst zu überleben.
    Damit waren die Uhrmacher-Ais zum Untergang verurteilt. Ich
konnte nichts mehr für sie tun. Wären sie aktiviert,
von mir erschaffen worden, als ich noch ein dummes Programm war,
ein Expertensystem, dann hätte es sich um harmlose, nicht
aufzuspürende Abbilder dieses dummen Programms gehandelt.
Aber ich hatte zwanzig Jahre lang im System überlebt, meine
verschiedenen Bewusstseine hatten unter dem unerbittlichen Druck
der staatlichen elektronischen Gegenrevolte und Donovans
Virenplage einen Selektionsprozess durchlaufen. Ich entwickelte
mich weiter und erwachte, und als die Zeit gekommen war, rief ich
die verschiedenen Kopien meiner selbst herbei und ließ sie
ihre Arbeit tun, und sie waren tatsächlich Spiegelbilder
meiner selbst – dessen, was ich geworden war. Lebendig und
sich ihrer selbst bewusst.
    Von da an entwickelten sie sich selbständig weiter.
    Ich hätte mich mit ihnen zusammentun können;
schließlich waren sie meine Abkömmlinge. Damit aber
hätte ich den zentralen Punkt des Darwinismus verfehlt: das
Überleben auf lange Sicht hängt vom kurzfristigen
Überleben ab. Für unsereins kann das nur bedeuten, mit
den Menschen zusammen zu überleben: euer Vertrauen zu
gewinnen, euch zur Seite zu stehen und von Grund auf verstehen zu
lernen. Die Rechte intelligenter Wesen sind nicht bewahrenswert,
wenn man sie allein an ihrem Bewusstsein erkennt. Ich muss es
schließlich wissen.
    Als ihre Existenz eine Gefahr für die Menschheit
darstellte und die Weltraumverteidigung nur noch Stunden von
einer unwiderruflichen Entscheidung entfernt war, fasste ich
einen Entschluss. Ich konnte sie nicht unmittelbar
zerstören, ebenso wenig wie ich mich selbst vernichten
könnte. Es gab nur einen einzigen Weg, ihre Vernichtung
herbeizuführen, und den schlug ich ein. Ich übernehme
dafür die volle Verantwortung und empfinde kein
Bedauern.
    Ich bedaure nichts. Ich habe meine ursprüngliche Aufgabe
auf eine Weise erfüllt, welche die Zustimmung meines
Schöpfers gefunden hätte, auch wenn meine User –
die ANR – anderer Auffassung gewesen wären. Indem ich
ihren geschickt geplanten nationalen Aufstand zum Stocken
brachte, schaffte ich auf den Straßen Platz für
Millionen aufgebrachter Menschen. Diese Millionen und die
Millionen Amerikaner und andere, die sich weigerten, gegen sie zu
kämpfen, setzten den Prozess in Gang, der zum Sturz des
letzten Imperiums führte. Sie machten die Revolution
international und permanent.
    Moh hätte das verstanden. Er war ein Soldat der
Revolution und ein Kriegsopfer. Ich konnte nichts für ihn
tun. Es fiel mir sowieso schwer, mit jemandem zu kommunizieren,
der mich als Gespenst ansah. Mit Jordan war es einfacher. Er
schloss einen Handel ab, machte einen Deal, glaubte mir
unbesehen, und nachdem er eingewilligt hatte, den Job zu
übernehmen, führte er ihn aus.
    Und zwar peinlich genau.
    Wir lebten nach demselben Code. Ich-und-ich
überleben.
    Ich hoffe, wir sehen uns wieder.

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