Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das stille Gold der alten Dame

Das stille Gold der alten Dame

Titel: Das stille Gold der alten Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Malet
Vom Netzwerk:
verstanden, Monsieur Burma, nicht wahr? Er gibt den Schmuck zurück, ich
vergesse und verzeihe seine Unehrlichkeit und treibe die Nachsicht sogar so
weit, ihm Geld zu geben — als Belohnung für seine Unehrlichkeit. Ich will
keinen Skandal, aber wenn er unbedingt ins Gefängnis will, werde ich nicht
zögern...“
    So siehst du aus! Na ja, mir konnte es
egal sein. War nicht mein Bier. Ich fragte sie erst gar nicht, ob sie nicht
noch jemand anders in Verdacht habe als ihren Chauffeur. Sie war von Célestins
Schuld felsenfest überzeugt. Und sie hatte ihre Gründe dafür. Das verstand ich
sehr gut.
    „Jérôme wird Sie hinausbegleiten“,
sagte Madame Ailot.
    Mit dem Fuß drückte sie einen
Klingelknopf auf dem Parkett. Ich stand von meinem Museumsstuhl auf, um ihn und
mich von meiner Anwesenheit in diesem Zimmer zu befreien. Madame Ailot bedachte
mich zum Abschied mit einem freundlich-distanzierten Kopfnicken. Sie stand
weder aus ihrem Sessel auf, noch gab sie mir die Hand. Dem Personal gibt man
nicht die Hand. Ich war ein Privatflic , den man
soeben für ein paar Tausender angeheuert hatte. Ein Angestellter. Eine Vertrauensperson,
aber nichtsdestoweniger ein Angestellter. Nicht weit entfernt von einem
Domestiken. Und denen gibt man eben nicht die Hand. Manchmal allerdings wirft
man sich einem von ihnen an den Hals, und er nutzt die Gelegenheit aus, um die
Kette von dem Hals der Hausherrin zu klauen. Aber ansonsten... Ich dagegen habe
immer wieder Gelegenheit mich totzulachen. Nicht eine laß ich aus. Gehört zu
meinen Sonderbegabungen.
    Auf das Fußklingelzeichen hin erschien
Jérôme — der eigentlich vielleicht Lucien hieß — und begleitete mich hinaus bis
auf die Rue du Ranelagh . Immer noch lag sie still und
friedlich da.
    Auf der anderen Straßenseite stopfte
ich mir erst mal eine ansehnliche Pfeife. Noch während ich den Stierkopf
stopfte, fragte ich mich, ob man das mit meinem Kopf gerade nicht genauso
gemacht hatte. Ich drehte mich noch einmal zu dem Haus um, aus dem ich soeben
gekommen war. Hinter einem Fenster der ersten Etage zitterte eine Gardine.
Hatte sie ein Luftzug oder eine Hand bewegt? Hm... Vielleicht fand mich Madame Ailot
auch ganz attraktiv. Kann man nie wissen. Ich zündete mir meine Pfeife an, ging
zu meinem Wagen, setzte mich hinters Steuer und blieb erst mal dort sitzen.
Nachdenklich zog ich den Rauch ein. Plötzlich grüßte mich eine junge, frische
Stimme mit einem herzlichen „Guten Tag, Monsieur!“ Ein hübsches blasses Gesicht
blickte durch das geöffnete Seitenfenster. Darunter sah ich eine schmale Hand
mit schrecklich abgenagten Fingernägeln.
    Sie war fast noch ein Kind. Ich hatte
weder gehört noch gesehen, daß sie an meinen Wagen getreten war. Sie lächelte
mich an. Ein trauriges Lächeln, nicht sehr stabil. Auch in den braunen Augen
stand Traurigkeit. Die kastanienbraunen, leicht rötlichen Haare fielen in
Fransen auf die Schultern. Auch das im modern style. Die Kleine war
nicht geschminkt. Sah aus wie’n kleiner Wildfang. Sehr sympathisch. Der obere Knopf der
Bluse fehlte, so daß ein großzügiger Einblick gewährt wurde.
    „Guten Tag, Mademoiselle .“
    Ich nahm die Pfeife aus dem Mund und
lächelte zurück. Der Rauch kitzelte ihr die Nase. Sie nieste beinahe
genießerisch.
    „Ich weiß, wer Sie sind“, sagte sie
augenzwinkernd.
    „Was Sie nicht sagen! Und wer bin
ich?“
    „Der Märchenprinz.“
    „Falsch. Ich bin Artagnan .“
    Sollte ich etwa nicht Diamanten
beschaffen? Der Blick des Mädchens verdüsterte sich. Sie klopfte mit dem Fuß
aufs Pflaster.
    „ Artagnan mag ich nicht“, knurrte sie. „Er benimmt sich gegenüber Frauen nicht
anständig.“
    „Ganz Ihrer Meinung.“
    „Sie sind nicht Artagnan .“
    „Nein. Zufrieden?“
    „Ja. Sie sind der Märchenprinz, der
mich entführen will.“
    Ich schüttelte bedauernd den Kopf.
    „Leider bin ich auch kein
Märchenprinz. Erstens bin ich zu alt dafür, und zweitens hab ich kein Pferd.“
    „Sind Sie denn schon so alt?“
    „An manchen Tagen, ja.“
    „Sie machen sich über mich lustig“,
sagte sie stirnrunzelnd. „Oder Sie über mich“, seufzte ich. „Los, Kleine, Sie
sollten jetzt nach Hause gehen. Da können Sie auch den Knopf an Ihre Bluse
nähen...“
    Schamhaft bedeckte sie das Dekolleté
mit der Hand.
    „Ich nehme mal an, Sie wohnen hier im
Viertel?“ fragte ich etwas dämlich. Dämlichkeit ist wohl ansteckend.
    „Ja, ja. Mögen Sie’s? Ich meine das
Viertel?“
    „Weiß ich nicht. War

Weitere Kostenlose Bücher