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Das stille Qi Gong nach Meister Zhi-Chang Li: Innere Übungen zur Stärkung der Lebensenergie (German Edition)

Das stille Qi Gong nach Meister Zhi-Chang Li: Innere Übungen zur Stärkung der Lebensenergie (German Edition)

Titel: Das stille Qi Gong nach Meister Zhi-Chang Li: Innere Übungen zur Stärkung der Lebensenergie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulli Olvedi
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und die »Innere Kunst« weitergegeben wurden, und die Meister der alten Heil- und Selbstheilungstraditionen scharten weiterhin Schüler um sich und lehrten im Geheimen. Doch diese Schüler waren Kinder einer neuen Zeit und eines neuen Denkens, infiziert von einem materialistischen Weltbild, das sie bewusst wohl ablehnen mochten, dessen spezieller Bewusstseinsmodus aber dennoch seine Spuren in ihnen hinterließ.
    Nur so ist es zu erklären, dass selbst moderne chinesische Qi-Gong-Meister, die innerhalb der chinesischen Tradition ausgebildet worden sind, ihre Kunst im Westen als simple »Technik« präsentieren, ohne den komplexen geistigen Hintergrund mitzuliefern, der den tatsächlichen Gehalt des Qi Gong erst zugänglich macht. Daraus entstehen zwei Gefahren: Wer Qi Gong so »technisch« auffasst, wird möglicherweise nach einiger Zeit das Interesse daran verlieren; denn ohne die Inspiration eines größeren geistigen Kontextes wird die Bereitschaft zur nötigen Disziplin und Kontinuität abnehmen, sobald der Reiz der Neuheit verflogen ist. Oder der Qi-Gong-Adept versucht, diese Lücke durch hausgemachte esoterische Theorien zu füllen; so dies geschieht, kann jede kontemplative Praxis zur Gefahr für die geistige Gesundheit werden.
    Qi Gong vereinigt in sich mehrere Wirkungsebenen – von der groben körperlichen bis zur subtilsten geistigen Ebene –, die man nur mit Vorbehalten voneinander getrennt betrachten kann. Wir westlichen Menschen mit unseren vorwiegend linearen, kategorisierenden und abstrahierenden Denkgewohnheiten haben eine besonders ausgeprägte Neigung, Standpunkte zu fixieren und zu ideologisieren und damit die natürliche Fülle der Phänomene auf dürre Begriffe zu reduzieren. Um Qi Gong in der richtigen Weise praktizieren zu können, sollten wir deshalb unsere Geisteshaltung untersuchen und sie sozusagen »neu einstellen«. Denn unsere eigene geistige Orientierung bestimmt das Ergebnis unserer Qi-Gong-Praxis.
    Schon in klassischen chinesischen Texten finden sich Hinweise auf die zentrale Bedeutung der angemessenen Orientierung, und der Streit, welche nun die letztlich richtige sei, hat Tradition. So schrieb zum Beispiel der Taoist Liu I-ming 1808 in seinen Erläuterungen zu dem alchimistischen Werk Das Geheimnis des Goldenen Elixiers mit der Leidenschaft des Puristen:
Die Menschen der späteren Zeitalter ergründeten nicht die Bedeutung der alchimistischen Klassiker, sondern klebten nur an den Symbolen: Die Konfuzianer sahen in ihnen nichts als abergläubischen Unsinn, während die Taoisten sie nur oberflächlich verstanden. In extremen Fällen versteiften sich die Menschen nur auf die Symbole, erfanden aufs Geratewohl alle möglichen Praktiken und verirrten sich so in Sackgassen und auf Irrwege. So fügten sich unzählige Menschen selbst geistigen und körperlichen Schaden zu. [5]  
    Das Fixieren von Standpunkten ist also nicht nur eine abendländische Untugend; wir finden sie auch in der Geschichte der Inneren Kunst des Qi Gong. Als »Seitentore« bezeichneten die Puristen unter den Taoisten die »Innere Alchimie«, deren wichtigster praktischer Bestandteil die Energiearbeit war, und die Ablehnung dieser Methoden und die einseitige Hervorhebung der reinen Meditation hat in bestimmten Richtungen des Taoismus eine zweitausendjährige Tradition. Thomas Cleary schreibt in seiner Einleitung zum Geheimnis des Goldenen Elixiers:
Die Kritik in Liu I-mings Werk, nämlich das Ablehnen der »Seitentore«, stellt die radikalste Form der für die Schule der Vollkommenen Wirklichkeit typischen Unterscheidungen zwischen der Quintessenz des Taoismus und den unwichtigeren psychischen und psychosomatischen Techniken dar … In der südlichen Richtung der Schule der Vollkommenen Wirklichkeit, die von Zhang Boduan [Chang Po-tuan] gegründet wurde, wird größerer Wert auf die Energiearbeit gelegt als in der strengeren nördlichen Richtung, der Liu I-ming angehörte. Dieser Unterschied erklärt sich aus dem höheren Alter vieler Eingeweihter der Südlichen Schule, wie zum Beispiel von Zhang Boduan selbst, der erst in seinen Achtzigern das Tao erlangte. Energiearbeit dient dazu, den Körper zu verjüngen und das spirituelle Streben zu unterstützen und ist verständlicherweise bei älteren Menschen wichtiger als bei jungen. Jedenfalls heißt es, dass diese Übungen die gefährlichsten seien, und da man sie nur unter fachkundiger Anleitung ausführen darf, werden sie oft im Stillen von jenen praktiziert, die

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