Das Stockholm Oktavo
einzusetzen. Vielleicht müssen wir sie entmachten oder verzaubern, vielleicht aber auch zerstören.«
»Wir? Warum sagen Sie
wir
?«
Sie nahm ihre Pfeife vom Beistelltisch und zündete sie an einer Wachskerze an. »Wir sind Partner, Herr Larsson. Ich kann mich um Herzog Karl kümmern – er ist ein Glaubender und wird mich aufsuchen. Aber ich will, dass Sie mehr über die Uzanne herausfinden: Wer sind ihre Verbündeten, welche Schwächen hat sie, wie will sie Karl auf den Thron bringen? Und passt die Dame der Weingefäße denn nicht genau auf die Uzanne? Ihre Gefährtin.«
»In dieser Rolle sehe ich sie nicht. Und wie soll ich mich der Uzanne nähern? Beim Kartenspiel?«
»Nehmen Sie die Tür, die Carlotta Ihnen öffnet.«
»Carlotta? Carlotta ist mit diesem Trottel von Soldat davongetänzelt, ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen!« Ich leerte mein Glas in einem Zug. »Andererseits hatte das arme Mädchen ja gar keine Wahl. »Sie ist eine … Gefangene.« Ich stellte mein leeres Glas ab und setzte mich aufrecht hin. »Mein Oktavo, Madame Sparv. Es ist fast Mitternacht.«
Sie nickte und richtete schnell den Tisch her. »Heute Nacht suchen wir den Lehrmeister, der sie unterweisen wird.« Wir sprachen nicht, während sie die Karten auslegte. Nach fünf Runden kam die dritte meiner acht Karten.
»Der Lehrmeister. Die Acht der Bücher. Bücher sind die Farbe des Zwists.«
»Ich meine mich zu erinnern, dass Sie sagten, sie seien die Farbe des Strebens.«
»Jede Farbe hat ihr Gutes und ihr Schlechtes. Manches Streben ist von schlechter Art. Lernen ist heilig, es erhebt den Menschen in den Himmel, aber mit Dogmen und grausamen Gesetzen werden Menschen erobert und versklavt. Neues Gedankengut konkurriert mit altem. Die Wissenschaft stürzt die Welt und richtet sie wieder auf.« Sie betrachtete das Bild eine Weile aus der Nähe. »Diese Karte steht für eine Frau oder einen Mann als Lehrmeister. Zwei Blumen blühen, eine weiße, eine rote – Gegensätze irgendwelcher Art. Aber die Acht bedeutet Wiedergeburt. Vielleicht strebt auch Ihr Lehrmeister danach. Es ist jemand, der hinaufklettern will – vielleicht den Baum der Erkenntnis oder die Leiter des Erfolgs. Er ist schlau, aber auch empfänglich für Schmeichelei und Nachahmung. Sehen Sie den Papagei?«
»Mir kam gleich mein Vorgesetzter im Amt in den Sinn. Ständig quakt er Bibelverse vor sich hin und gibt mir Ratschläge für die Wahl meiner zukünftigen Gattin.«
»Hm.« Sie zog an ihrer Pfeife. »Aber die Musik, die die beiden so zwanglos teilen, erinnert nicht an eine Hymne im Gesangbuch.«
»Ich wollte heute Nacht mit Carlotta eine Hymne auf Eros singen«, sagte ich und starrte das Paar auf der Karte an.
Kapitel 7
Inspiration im Krug zum Sauschwanz
Quellen: E. L., Kapitän H., J. Blom
Trotz einer kurzen, schlaflosen Nacht stand ich am nächsten Morgen früh auf und verfasste einen feurigen Brief an Carlotta. Eine Seite voller Komplimente, gefolgt von einer Seite, auf der ich meine Bestürzung über ihre Abfahrt ausdrückte sowie meine diesbezügliche Vergebung und die Versicherung, dass von derselben Hellseherin, die Herzog Karl beraten hatte, mir das Vorwissen um unsere Liebe und Verbundenheit zugespielt worden war. Dass das Oktavo noch nicht vollständig war, spielte keine Rolle, ich hatte volles Vertrauen in seinen glücklichen Ausgang. Als ich mit dem Brief die Treppe herunterkam, fing meine Vermieterin Frau Murbeck – die ich im Allgemeinen um jeden Preis zu meiden suchte – wieder mit ihrer Leier über mein spätes Nachhausekommen und meine gelegentliche Katerstimmung an, bis ich ihr von meiner bevorstehenden Verlobung erzählte. Diese Neuigkeit verwandelte sie in eine zartfühlende Freundin. Sofort rief sie nach ihrem Sohn, den sie ständig wegen irgendeines Vergehens schalt, und bot mir dessen Dienste als Liebespostillion an. Doch bis zum Abend kam keine Antwort von Carlotta, was mich plagte wie eine Stechmücke – bis mir klar wurde, dass dies das Spiel des Freiens war und sie die Macht hatte, mich leiden zu lassen.
Mein Einsatz führte mich an jenem jämmerlichen Abend durch spritzende Pfützen und Spurrillen zu einem der vielen Docks auf Skeppsholmen, einer Insel gleich östlich der Stadt. In einem dicken Cape und hohen Stiefeln blickte ich auf einen durchhängenden Lastkahn, der so aussah, als wäre er öfter durchgeschüttelt worden als eine alte Hure. Solche Schiffe wurden oft vom Zoll kontrolliert – Wracks, auf
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