Das Stonehenge - Ritual
dem richtigen Kandidaten auf der Spur ist. Bevor sie es ihrer Chefin sagt, muss sie noch einen Anruf erledigen. Einen, vor dem sie Angst hat. Sie braucht mal wieder jemanden, der auf Sammy aufpasst.
56
Caitlyn kann sich nicht bewegen. Sie sieht nichts, und sie bekommt auch nicht richtig Luft.
Sie hat das Gefühl, lebendig begraben worden zu sein, und zwar im Stehen. In einem Grab aus Stein. Sie hat kaum genug Platz, um die Hände ans Gesicht zu legen und zu fühlen, wie ihr der Schweiß übers Gesicht läuft.
»Jake!« Obwohl sie weiß, dass er nicht antworten wird, schreit sie seinen Namen.
Vor ihrem geistigen Auge sieht sie ihn reglos auf dem Boden innerhalb des seltsamen Steinkreises liegen. Das Bild hat sich deutlich in ihr Gedächtnis eingebrannt. Sie weiß noch genau, dass sie bei seinem Anblick sofort ein ungutes Gefühl hatte.
»Jake!«
Indem sie seinen Namen ruft, bleibt er für sie irgendwie lebendig. Zumindest in ihren Gedanken.
Sie tastet über die grobe Steinfläche vor ihrem Gesicht. Ihre Finger ertasten einen schmalen Schlitz und den dünnen Luftstrom, der sie am Leben hält. Sie hofft nur, dass es sich bei ihren Entführern um Profis handelt – erfahrene Kidnapper, die wissen, was sie tun, und keine perversen Vergewaltiger oder Serienmörder. Falls es sich um eine professionelle Gruppe von Entführern handelt, haben sie es auf Geld abgesehen, und ihr Leben ist nicht in Gefahr. Zumindest nicht sofort. Bald werden sie kommen und sie waschen, ihr etwas zu essen geben, den Film aufnehmen, höchstwahrscheinlich eine Nachricht an ihre Eltern, und dann wird das Spiel beginnen. Sie ist auf diesen Fall vorbereitet worden. Eric ist das Szenario Dutzende Male mit ihr durchgegangen. Ebenso ihr Vater. Selbst ihre bescheuerte Mutter hat mit ihr darüber gesprochen, dass so etwas passieren könnte.
Mittlerweile ist ihr klar, wie verrückt es von ihr war, mit Jake abzuhauen. Sich aus dem Schutz ihres Sicherheitsnetzes herauszuwagen. Plötzlich kommt ihr ein schlimmer Gedanke. Einer, der ihr auch noch den letzten Rest an Selbstachtung nimmt. Womöglich war Jake ja an der Entführung beteiligt gewesen. Vielleicht hatte er schon bei ihrer ersten Begegnung nur dieses Vorhaben im Kopf gehabt. Die Alternative ist fast genauso schlimm. Falls er nichts damit zu tun hat, wo ist er dann? Sie weiß, dass Entführer sich selten zwei Opfer auf einmal schnappen. Das ist zu schwierig, zu anstrengend. Wieder spürt sie das ungute Gefühl in der Magengegend.
»Jake!« Ihr Schrei endet mit einem Wimmern. Seit Stunden ist sie hier eingesperrt, seit Stunden hat niemand mehr mit ihr gesprochen. Ihr Rücken schmerzt. Ihre Schultern, ihr Hinterkopf und ihre Knie sind von der rauen Steinwand schon ganz wundgescheuert, und wenn sie sich nicht täuscht, hat sie sich zusätzlich auch noch in die Hosen gemacht.
Trotz dieser Demütigung, und obwohl ihre Beine vom Stehen schon schmerzen und krampfen, schläft sie immer wieder ein. Aller Reize von außen beraubt, macht ihr verrücktes, hyperaktives Gehirn einfach dicht, und sie driftet ab – an einen weit entfernten Ort, der keinerlei Ähnlichkeit mit diesem feuchten Verlies hat. Gerade ist sie ein weiteres Mal eingedöst, als die Zellenwand zur Seite gleitet und sie nach vorne kippt. Mehre Männer, die alle braune Gewänder und Sturmhauben unter ihren Kapuzen tragen, fangen sie auf und legen sie auf den Boden.
Sie drehen sie auf den Rücken. Benommen und mit glasigen Augen starrte sie zu einem hohen, schwarzen Gewölbe hinauf. Über ihr schwebt ein riesiger gusseiserner Lüster mit einem Kreis aus dicken, brennenden Kerzen.
In Caitlyns Gesichtsfeld tauchen vier Gesichter auf, die aus dunklen Kapuzen auf sie herunterstarren. Sie hört jemanden mit leiser, kratziger Stimme eine Anweisung erteilen, die ihr das Blut in den Adern gefrieren lässt: »Zieht sie aus und wascht sie. Wir fahren mit der Zeremonie fort.«
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Ausnahmsweise erklärt sich Megans Exmann gerne bereit, Sammy über Nacht zu nehmen. Er hat sogar versprochen, selbst für sie zu kochen. Der berufstätigen Mutter fällt ein Stein vom Herzen.
Sie kehrt zu dem Campingbus-Fall zurück, der bereits ihren ganzen Schreibtisch einnimmt, und zu den Facebook-Fotos von Jake Timberland, auf die sie gestoßen ist, als sie der Spur der Amex-Rechnung folgte. Nach einem solchen ersten Durchbruch geht oft alles Schlag auf Schlag. Ein Team der Londoner Polizei hat soeben bestätigt, dass der junge Engländer sich nicht in seiner
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