Das Stonehenge - Ritual
hatten. Hört sich das nach dem Mädchen an?«
Musca bringt vor Schreck kaum etwas heraus. »Ich glaube schon.«
Draco verzieht das Gesicht. »Wieso glaubst du, dass sie es ist?«
»Sie ist Amerikanerin, daran besteht kein Zweifel. Die Beschreibung stimmt, sportlich wirkt sie auch, und das Alter passt ebenfalls.«
Draco schließt die Augen und wünscht, es wäre anders. »Fahr zum Heiligtum. Ich rufe den Meister an.« Nachdem er das Gespräch beendet hat, überlegt er einen Moment. Er weiß nicht so recht, was nun zu tun ist. Sollte es sich bei dem Mädchen tatsächlich um die Tochter eines hohen US -Beamten handeln, dann würden die Amerikaner alle Hebel in Bewegung setzen, um sie zurückzubekommen. Womöglich würden sie sogar Spionagetechnik einsetzen und Telefongespräche auf der ganzen Welt abhören.
Als er daraufhin einen Blick gen Himmel wirft, rechnet er schon fast damit, ein ferngesteuertes Flugzeug über sich schweben zu sehen. Er tippt die Nummer. »Hier ist Draco. Ich muss dich sehen. Es ist dringend.«
»Verstehe. Ich komme, so schnell ich kann.«
Sie wissen beide, wo sie in einem solchen Notfall hinmüssen. Draco hat wenig Zeit für höfliche Floskeln. »Im Anschluss an dieses Gespräch entsorgst du dein Kartenhandy am besten irgendwo in der Öffentlichkeit. Es könnte sonst Probleme geben.«
Sein Gesprächspartner legt auf. Er entfernt den Deckel von der Rückseite seines Telefons und nimmt die Batterie und die SIM -Karte heraus, um die beiden Teile und auch die Hardware getrennt voneinander zu entsorgen. Ohne Zeit zu verlieren, steigt er in seinen Wagen und fährt schnell, aber unter Beachtung der Geschwindigkeitsbegrenzungen zum Heiligtum. Unterwegs macht er dreimal einen kleinen Umweg, um das Telefon loszuwerden. Jedes Mal blickt er hinterher zum Himmel auf und fragt sich, ob er beobachtet wird.
54
Der Henge-Meister betritt das Heiligtum ungesehen durch seinen eigenen, nur ihm bekannten Eingang. Dass er von diesem zusätzlichen Eingang weiß, verdankt er den heiligen Büchern, die er von seinen Vorgängern geerbt hat.
Er geht durch den unbewachten Gang in seine Kammer und wartet auf Draco. Schon nach kurzer Zeit klopft jemand an die schwere Tür, und er ruft: »Herein!«
Zögernd betritt Draco den Raum.
»Setz dich.« Die Stimme des Meisters verrät seine Verärgerung darüber, dass er so kurzfristig herbeizitiert wurde. Er deutet auf die halbkreisförmige Steinbank ihm gegenüber.
Draco nimmt Platz und zieht seinen Umhang zurecht. Leise und in entschuldigendem Ton ergreift er das Wort: »Wie sich herausgestellt hat, handelt es sich bei dem Mädchen, das die Geheiligten ausgewählt haben, um die Tochter eines hohen US -Beamten und eines Hollywoodstars. Es kommt ständig in den Nachrichten.«
Für einen Moment wirkt der Meister schockiert, hat sich jedoch gleich wieder im Griff. »Das mag ja sein, aber wie du gerade sehr richtig gesagt hast, wurde sie von den Geheiligten ausgewählt.«
In Dracos Augen glitzert Angst. »Meister, müssen wir uns nicht trotzdem wieder von ihr trennen? Der amerikanische Geheimdienst und sämtliche Polizisten Großbritanniens werden nach ihr suchen.«
»Und die sind wichtiger als jene, denen wir folgen?«
»Nein, Meister.«
»Ich wiederhole: Sie ist auserwählt worden. Oder etwa nicht?«
»Doch, Meister, aber …«
»Genug.« Der scharfe Ton des Meisters durchfährt ihn wie eine Messerklinge. »Seit Jahrhunderten übt unsere Zunft ihren Glauben und ihre Riten aus, ohne von der Polizei behelligt zu werden. Das Geheimnis unserer Existenz wird schon seit Tausenden von Jahren bewahrt. Das hat nichts mit Glück zu tun. Wir werden vom Willen der Geheiligten gelenkt, und diese Macht ist stärker als alle Polizeiwachen oder auch Regierungen der Welt.«
Draco versteht. »Es tut mir leid. Ich war der Meinung, Vorsicht wäre in diesem Fall ratsam.«
Der Meister nickt. »Du hast gut daran getan, dir darüber Gedanken zu machen und mich zu benachrichtigen.« Er blickt über seine gefalteten Finger hinweg. »Die junge Frau ist also die aus dem Radio, Caitlyn Lock?«
»Ja.«
»Und ihr Freund – was ist mit ihm?«
Draco schluckt. Er hat Angst, der Pfusch könnte aus irgendeinem Grund ihm zur Last gelegt werden. »Der Freund ist tot. Er starb, als er und das Mädchen von den Spähern ergriffen wurden. Es war ein Unfall.«
Der Meister wirkt nicht allzu beunruhigt. »Oder der Wille der Geheiligten. Vielleicht war der Mann nicht würdig. Wo befinden sich die
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