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Das Südsee-Virus

Das Südsee-Virus

Titel: Das Südsee-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk C. Fleck
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davonspringen. Steve ertrug den Anblick nicht und rannte ins Freie. Rudolf fegte die Haare zusammen, bereitete Maeva einen Tee, verneigte sich respektvoll vor ihr und ging dann ebenfalls hinaus.
Tahiti, 19. April 2029
    Es heißt, Maeva habe ihren Frieden mit der Situation geschlossen und werde ihre Amtsgeschäfte als polynesische Präsidentin schon bald wiederaufnehmen. Ich habe das Gefühl, dass mir Omai und Rauura etwas verschweigen. Ihr Kontaktmann auf Rapa ist Rudolf. Er verfügt dort als Einziger über ein Telefon. Aber seine Nummer mögen sie mir nicht geben. Offenbar bin ich ihnen als Mitwisser lästig geworden. Wie der Fahrer bei einem Banküberfall, den man zwar brauchte, aber nicht wirklich einweihen wollte ins Unternehmen.
    Ich hätte Maevas Ambitionen von Anfang an torpedieren sollen. Dieser ganze verdammte Kreuzzug, den sie im Namen der URP veranstaltet hat: was ist dabei herausgekommen? Außer einem enormen Mediengetöse und einer permanenten Gefahr für Maevas Leben? Ich bin nach wie vor skeptisch gegenüber jedem missionarischen Eifer. Man kann das Gute wollen und das Böse ernten. Wäre ja nicht das erste Mal in der Geschichte. Wie hatte Einstein gesagt? »Wer es unternimmt, auf dem Gebiet der Wahrheit als Autorität zu erscheinen, scheitert am Gelächter der Götter.« Womöglich liegt Maevas verzweifeltem Versuch, die Schöpfung vor weiteren Attentaten zu schützen, ein gravierendes Missverständnis zugrunde. In Wirklichkeit ist wohl alles schon ein Raub des Himmels, Überbleibsel eines göttlichen Mahls …
    Sie fehlt mir. Ich hatte ja keine Ahnung, wie sehr.
    Maeva hatte ihre Besuche auf dem Morongo Uta eingestellt. Stattdessen setzte sie nun in der Morgendämmerung nach Area über. Dazu bediente sie sich eines der Boote, die an der Mole dümpelten. Das leiser werdende Tuckern des Außenbordmotors verursachte in Steve jeden Morgen aufs Neue das schmerzhafte Gefühl, dass die Verbindung zu ihr abriss, dass er Maeva verloren hatte. Und wäre Rudolf nicht gewesen, der ihn das eine oder andere Mal zu beruhigen wusste, er hätte die Beklemmung, die sich in ihm tagsüber aufbaute, nicht ausgehalten. Abends lauschte er dann gespannt den Geräuschen, die von der See herüberwehten. Sobald er das Tuckern des Außenborders ausmachte, fiel alle Sorge von ihm ab. Dann setzte er sich am Rand des Dorfes auf eine Mauer und wartete, bis Orion über die Bergzinnen gestiegen kam.
    Der Versuchung, sie bei der Ankunft zu überraschen, konnte er widerstehen. Wenn sie ihn sehen wollte, würde sie ihm das zeigen. Außerdem schaute Rudolf regelmäßig nach ihr. Spätestens an dem Tag, an dem sie Maeva kahl geschoren in ihrem Haus vorgefunden hatten, an dem er Zeuge geworden war, wie souverän Rudolf mit der Situation umging, hatte er begriffen, dass es jemand aus ihrem Volke brauchte, um ihr fragiles Gemüt zu stabilisieren. Er hatte doch keine Ahnung, wie man einem aufkommenden Wahnsinn begegnete. Rudolf offenbar schon. Irgendetwas ging vor mit und um Maeva. Aber solange Rudolf darüber nicht beunruhigt war, versagte sich Steve jegliche Spekulation.
    Inzwischen hatte Steve sich daran gewöhnt, dass Maeva immer häufiger über Nacht ausblieb. Bis zu einer Woche dauerten ihre Besuche in Area. Und die seltenen Male, die sie sich in Ahurei zeigte, verbarg sie ihr Gesicht unter einem Schleier. Auch darauf wusste Rudolf eine Antwort, als Steve ihn nach der Bedeutung fragte.
    »Sie macht gerade eine große Wandlung durch«, war Rudolfs Erklärung für dieses Verhalten. »Im Zeichen großer Wandlungen haben wir kein Gesicht. Das alte ist verloren und das neue noch nicht gewonnen …«
    Die rätselhafte Erklärung half Steve nicht weiter, er hielt sie für einen Trick, um ihn von etwas fernzuhalten. Aber noch traute er sich nicht, der Sache auf den Grund zu gehen. Die geschorenen Haare, der Schleier, ihre Menschenscheu – alles Indizien einer schleichenden Verwirrung, die es ihr unmöglich machen würde, sich jemals wieder in der Öffentlichkeit zu zeigen, geschweige denn, ein politisches Amt auszuüben. Wenn das »zweite Gesicht«, auf das sie laut Rudolf so dringend wartete, auch nur im Entferntesten ihrem jetzigen Geisteszustand entsprach, wäre das Urteil über sie gesprochen: Aus dem angedachten Zwischenstopp auf Rapa Iti würde eine lebenslängliche Verbannung werden. Steve schüttelte es bei dem Gedanken. Und da Rudolf nichts zu unternehmen schien, um der fatalen Entwicklung entgegenzuwirken, war es wohl an ihm, Maeva

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