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Das Tal der Wiesel

Das Tal der Wiesel

Titel: Das Tal der Wiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.R. Lloyd
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sahen nur das Nötigste.
    Ein Schatten sauste aus der Hecke und lief neben ihm her. »Renn weiter«, knurrte Einauge, »und spar dir deine Worte. Ich komme mit. Die Winterfröste werden mich sowieso erwischen. Ich sterbe lieber im Bunker, als elendig dahinzusiechen.« Auf seinem Gesicht spiegelte sich Entschlossenheit. »Du hast doch wohl nicht gedacht, daß du dich so einfach von mir davonschleichen kannst?«
    Kines Herz pochte. Er antwortete nicht. Seite an Seite rasten sie vorwärts, ihre Mienen waren unergründlich. Uralte Dornsträucher, mit stachligen Ranken so dick wie Birkenstämme, kletterten neben ihnen durch den Schwarzdorn. Aus einem Graben drang ein Plätschern. Kine kannte jeden Meter. Er kannte jede Unebenheit. Die Zaunpfähle waren ihm vertraut, er erkannte sie an ihren Astknoten und an ihren verschiedenen Formen. Jeden Stengel von jeder Pflanze kannte er. Es war Kines Pfad. Er hätte jede Nessel wiederfinden können, jede der aufgeschossenen Kletten und jede der winzigen Pimpernellen. Jeder Stein war ihm ein vertrauter Gefährte. Er befand sich nicht in der Stimmung, Abschied zu nehmen, und hielt seinen Blick starr nach vorne gerichtet.
    Zwei Wiesel auf einem Pfad. Dann waren es drei. Young Heath war geisterhaft aus dem Dickicht hervorgesprungen und hatte sich den Unentwegten angeschlossen. Sein entschiedenes Auftreten machte jeden Einwand überflüssig. »Drei auf dem Weg zu Gru«, zwitscherten die Vögel in der Hecke. »Drei auf dem Weg zum Schlupfwinkel.«
    Die drei sausten durch das Tor zur Marsch und schwenkten stumm auf den Mullen-Kanal zu. In der Rinne, die sich neben ihnen befand, floß der Graben auf den Kanal zu, an den Seiten hatte sich die Wilde Sumpfkresse ausgebreitet. Eine alte Patronenhülse war dort steckengeblieben. Das Wasser seufzte, und als die drei Wiesel vorbeiliefen, kletterten einige staubige Gestalten die Böschung herauf und hüpften ihnen hinterher. Ford führte die restlichen Überlebenden an. »Weiter, Kine!« Es klang zwingend. »Du wirst uns nicht los. Weiter, oder wir treiben dich ins Verderben, in den teuflischen Schlund!«
    Sie rasten an stachligen Sumpfgräsern vorbei; ausgetrocknete, hohle Stengel und Karden säumten den Weg zum Fluß. Die Bande bestand nun aus neun oder zehn Tieren, die noch immer die hinter ihnen liegenden Strapazen in den Knochen spürten, vom Unglück verfolgt, die letzten des Wieselvolkes. Kine blickte flüchtig über seine Schulter. Er hatte es sich eigentlich anders vorgestellt, doch sie waren wild entschlossen. Nichts konnte sie aufhalten.
    Die Drahtverstrebungen eines Mastes, der die Stromleitung zur Pumpe trug, stiegen vom Kanalufer aus schräg auf. An dieser Stelle hatte man vor einiger Zeit Schotter abgeladen. Der Haufen war nun verschwunden, doch noch immer zeigte eine kahle Fläche inmitten der üppigen Vegetation, wo er gelegen hatte.
    Die Wiesel blieben stehen. Von der unbewachsenen Stelle aus konnten sie die ferne Pumpstation sehen. Schwere Wolken zogen am Himmel entlang. Kine betrachtete den Kanal. Seine Ufer verliefen ebenso wie die Stromleitung geradewegs auf Grus Schlupfwinkel zu.
    Es war ein langer Ansturm. Kine rannte weiter. Er spürte, daß die anderen sich dicht hinter ihm drängten, und beschleunigte seinen Schritt. Hohe Schilfgräser ragten neben ihnen auf. Er führte die rote Bande an den ersten Büscheln vorbei und lief dann auf den schmalen Grasstreifen, der sich zwischen Ufer und Feldweg entlangzog. Der Kanal wirkte friedlich. An den Blütenständen der Binsengräser waren noch blaßrote Tupfer zu erkennen; kleine Mücken tanzten in der Luft. Nichts bewegte die glatte Wasseroberfläche, doch Kine war mißtrauisch.
    Einauge sprang an seine Seite. Ford befand sich ebenfalls ganz in der Nähe. Die anderen folgten, noch immer dicht zusammen, aber begierig darauf, endlich loszuschlagen. »Nicht zu schnell.« Die Warnung kam von Einauge. »Du wirst nicht viel erreichen, wenn du außer Atem bist. Mach kein Wettrennen daraus.«
    Er hatte recht, doch Kines Blut raste. Der Drang zu rennen war übermächtig. Unter großen Anstrengungen kämpfte er dagegen an. Die Pumpstation schien mit quälender Langsamkeit größer zu werden. Er ließ seine Sprünge größer werden, drosselte nur widerstrebend das Tempo. Die kleine Gruppe hinter ihm drängte weiter vorwärts. »Wartet!« Eine Ente stieg mit einem Aufschrei vom Wasser auf, dessen Oberfläche sich unbeweglich und glänzend bis zum Metallrost hin erstreckte und eine

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