Das Tao der Physik
Gewebe lebt;
es bewegt sich, wächst und verändert sich laufend. Auch die
moderne Physik faßt das Universum als ein solches Gewebe
von Zusammenhängen auf und erkennt wie die östliche Mystik,
daß es von innen her dynamisch ist. Die Quantentheorie zeigt
den dynamischen Aspekt der Materie in der Wellennatur der
subatomaren Teilchen. Dieser Aspekt ist, wie wir sehen werden, in der Relativitätstheorie noch wichtiger, wo die Vereinigung von Raum und Zeit ergibt, daß das Vorhandensein der
Materie von ihrer Aktivität nicht getrennt werden kann.
Nach der Quantentheorie sind Teilchen gleichzeitig Wellen,
und daraus ergibt sich ein sehr sonderbares Verhalten. Wird ein
subatomares Teilchen auf einen kleinen Raum beschränkt, so
reagiert es auf diese Begrenzung mit Bewegung. Je enger der
Raum, desto schneller wirbelt das Teilchen in ihm herum. Dieses Verhalten ist ein typischer »Quanteneffekt« und hat im
Makrokosmos keine Analogie.
Diese Tendenz, auf Beschränkung mit Bewegung zu reagieren, läßt auf eine grundlegende »Unruhe« der Materie schließen, die für die subatomare Welt charakteristisch ist. In dieser
Welt sind die meisten Materieteilchen an molekulare, atomare
und nukleare Strukturen gebunden und daher nicht in Ruhe,
sondern von Natur aus rastlos.
Nach der Quantentheorie ist die Materie somit immer in einem
Bewegungszustand. Makroskopisch gesehen erscheinen die
Gegenstände um uns herum passiv und leblos, aber wenn wir
solch ein »totes« Stück Stein oder Metall vergrößern, sehen
wir, daß es voller Aktivität steckt. Alle Gegenstände um uns
herum bestehen aus Atomen, die sich miteinander auf verschiedene Weise verbinden und eine ungeheure Vielfalt von
molekularen Strukturen bilden, die entsprechend ihrer Temperatur und in Harmonie mit den Wärmeschwingungen ihrer
Umgebung vibrieren. In den vibrierenden Atomen sind die
Elektronen durch elektrische Kräfte an die Atomkerne gebun
Das Wetlenpaket wird in einen engeren Raum gezwängt.
den, und sie reagieren auf diese Beschränkung mit äußerst
schnellem Herumwirbeln. In den Atomkernen schließlich sind
Protonen und Neutronen in einem winzigen Volumen zusammengepreßt und rasen, makroskopisch unsichtbar, mit unvorstellbarer Geschwindigkeit umher.
Ein taoistischer Text bringt dieses dynamische Gleichgewicht folgendermaßen zum Ausdruck:
Die Ruhe in der Ruhe ist nicht die wirkliche Ruhe. Nur wenn es
Ruhe in der Bewegung gibt, kann der geistige Rhythmus erscheinen, der Himmel und Erde durchdringt. 4
In der Physik erkennen wir die dynamische Natur des Universums nicht nur in den kleinen Dimensionen — der Welt der
Atome und Atomkerne -, sondern auch in den großen Dimensionen der Sterne und Galaxien. Durch unsere starken Teleskope beobachten wir ein Universum in unaufhörlicher Bewegung. Rotierende Wasserstoffwolken ziehen sich zusammen
und bilden Sterne. Dabei erwärmen sie sich, bis sie zu brennenden Feuern im Himmel werden. Haben sie dieses Stadium erreicht, so rotieren sie immer noch, und einige stoßen Materie in
den Raum aus. Diese entfernt sich erst spiralenförmig und verdichtet sich dann zu Planeten, die den Stern umkreisen. Nach
Jahrmillionen endlich, wenn der größte Teil des WasserstoffBrennstoffs verbraucht ist, dehnt sich der Stern aus und stürzt
dann im endgültigen Gravitationskollaps zusammen. Dieser
Kollaps kann von gigantischen Explosionen begleitet sein und
kann sogar den Stern zum schwarzen Loch werden lassen. All
diese Ereignisse - die Bildung von Sternen aus interstellaren
Gaswolken, ihr Zusammenziehen, die darauffolgende Ausdehnung, und ihr endgültiger Kollaps — können tatsächlich am
Himmel beobachtet werden.
Die rotierenden, sich zusammenziehenden, sich ausdehnenden oder explodierenden Sterne häufen sich zu Galaxien von
verschiedenen Formen, flachen Scheiben,
Kugeln,
Spiralen
usw. Auch sie sind nicht bewegungslos, sondern rotieren. Unsere Galaxis, die Milchstraße, ist eine ungeheure Scheibe von
Sternen und Gas, die sich im Weltraum wie ein riesiges Rad
dreht, so daß sich alle ihre Sterne — einschließlich der Sonne
und ihrer Planeten - um den Mittelpunkt der Galaxis herum
bewegen. Das Universum ist voll von Galaxien, die im für uns
sichtbaren Raum verstreut sind und sich alle drehen wie die
unsere.
Wenn wir das Universum als ganzes mit seinen Millionen von
Galaxien studieren, haben wir die äußerste Größenordnung
von Raum und Zeit erreicht. Auch auf dieser kosmischen
Ebene entdecken wir, daß das Universum nicht
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