Das Tao der Physik
statisch ist — es
dehnt sich aus! Dies war eine der wichtigsten Entdeckungen der
modernen Astronomie. Eine detaillierte Analyse des Lichtes,
das wir von fernen Galaxien erhalten, zeigte, daß sich der ganze
Schwarm von Galaxien ausdehnt. Die Geschwindigkeit, mit der
sich eine Galaxis von uns fortbewegt, ist ihrer Entfernung proportional. Je größer die Entfernung der Galaxis, desto schneller
bewegt sie sich von uns fort. Bei doppelter Entfernung ist die
Geschwindigkeit ebenfalls doppelt so groß. Dies gilt nicht nur
für Entfernungen, die von unserer Galaxis aus gemessen werden, sondern trifft auch für jeden anderen Bezugspunkt zu. Auf
welcher Galaxis wir uns auch immer befinden, wir werden beobachten, daß sich die anderen Galaxien von uns fortbewegen;
die näher gelegenen mit einigen tausend Kilometern pro Sekunde, die weiter entfernten mit größeren Geschwindigkeiten,
und die Geschwindigkeiten der am weitesten entfernten nähern
sich der Lichtgeschwindigkeit. Das Licht von noch weiter entfernten Galaxien kann uns nie erreichen, da sie sich doch von
uns schneller als das Licht entfernen. Ihr Licht ist, mit den Worten von Sir Arthur Eddington, »wie ein Läufer auf einer sich
ausdehnenden Rennbahn, wo die Zielmarke schneller zurückweicht, als er laufen kann«. Wenn wir im Rahmen der allgemeinen Relativität über das expandierende Universum sprechen, meinen wir eine Ausdehnung in einer höheren Dimension. Solch einen Begriff können wir uns, wie den Begriff vom
gekrümmten Raum, nur mit Hilfe einer zweidimensionalen
Analogie vorstellen. Man denke sich einen Ballon mit einer
großen Anzahl von Punkten auf der Oberfläche. Der Ballon
stellt das Universum dar, seine zweidimensionale gekrümmte
Oberfläche stellt den dreidimensionalen gekrümmten Raum
dar, und die Punkte auf der Oberfläche sind die Galaxien in diesem Raum. Wird der Ballon aufgeblasen, vergrößern sich alle
Entfernungen zwischen den Punkten. Welchen Punkt wir auch
als Standort wählen, alle anderen Punkte bewegen sich von ihnen fort. Das Universum expandiert auf die gleiche Weise: Auf
welcher Galaxis ein Beobachter sich auch befinden mag, alle
anderen Galaxien bewegen sich von ihm fort.
Die naheliegende Frage zum expandierenden Universum lautet: Wie hat das alles angefangen? Aus der Relation zwischen
dem Abstand einer Galaxis und der Geschwindigkeit, mit der
sie sich entfernt (Hubblesches Gesetz), kann man den Ausgangspunkt der Expansion berechnen, mit anderen Worten:
das Alter des Universums. In der Annahme, daß sich die Expansionsgeschwindigkeit nicht verändert hat (was keineswegs
sicher ist), kommt man zu einem Alter in der Größenordnung
von 10 000 Millionen Jahren. Die meisten Kosmologen glauben heute, daß das Universum vor etwa 10 000 Millionen Jahren mit einem hochdramatischen Ereignis entstand, als seine
gesamte Masse aus einem kleinen Ur-Feuerball heraus explodierte. Die gegenwärtige Expansion des Universums wird als
der restliche Stoß aus der Anfangsexplosion betrachtet. Nach
diesem
»Urknall«-Modell markiert der Augenblick des Urknalls den Beginn des Universums und den Beginn von Raum
und Zeit. Wenn wir wissen wollen, was vor diesem Augenblick
geschah, geraten wir wiederum in große gedankliche und
sprachliche Schwierigkeiten. Mit den Worten von Sir Bernard
Lovell:
Dort erreichen wir die große Gedankenbarriere, weil wir uns mit
den Begriffen von Zeit und Raum herumschlagen, bevor diese in
unserer täglichen Erfahrung überhaupt existierten. Mir ist, als ob
ich plötzlich in eine dichte Nebelbank gefahren wäre, wo die vertraute Welt verschwunden ist. 5
Was die Zukunft des expandierenden Universums anbetrifft, so
liefern Einsteins Gleichungen keine eindeutige Antwort. Sie
lassen verschiedene Lösungen zu, entsprechend verschiedenen
Modellen des Universums. Einige Modelle sagen voraus, daß
die Expansion für immer andauern wird, nach anderen verlangsamt sie sich und wird irgendwann in die Kontraktion umschlagen. Diese Modelle beschreiben ein oszillierendes Universum,
das sich für Jahrmilliarden ausdehnt, sich dann zusammenzieht,
bis sich seine gesamte Masse zu einem kleinen Klumpen von
Materie verdichtet hat, und sich dann wieder ausdehnt, und so
weiter ohne Ende.
Die Vorstellung eines sich periodisch ausdehnenden und zusammenziehenden
Universums
innerhalb einer
gewaltigen
räumlichen und zeitlichen Größenordnung entstand nicht nur
in der modernen Kosmologie, sondern auch in der alten indischen Mythologie. Mit ihrer
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