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Das Tao der Physik

Das Tao der Physik

Titel: Das Tao der Physik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritjof Capra
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Erfahrung des Universums als eines organischen und sich rhythmisch bewegenden Kosmos waren die Hindus in der Lage, evolutionäre Kosmologien zu entwickeln, die unseren modernen wissenschaftlichen Modellen
sehr nahekommen. Eine dieser Kosmologien basiert auf dem
Mythos von »Lila«, dem göttlichen Spiel, in dem Brahman sich
selbst in die Welt verwandelt (vgl. S. 88). Lila ist ein rhythmisches Spiel, das in endlosen Zyklen weitergeht, der Eine wird
zum Vielen, und das Viel wird wieder zu dem Einen. In der Bhagavad-Gita beschreibt der Gott Krishna dieses rhythmische
Spiel der Schöpfung mit den folgenden Worten:
    Am Ende der Nacht der Zeit kehren alle Dinge zu meiner Natur zurück; und wenn der neue Tag der Zeit beginnt, bringe ich sie wieder
ans Licht.
So bringe ich durch meine Natur alle Schöpfung hervor, und diese
rollt umher in den Kreisen der Zeit. Doch ich bin nicht von diesem
großen Schöpfungswerk gebunden. Ich bin, und ich betrachte das
Drama des Werks.
Ich betrachte, und in ihrem Schöpfungswerk bringt die Natur alles
hervor, was sich bewegt und was sich nicht bewegt: Und so gehen
die Kreisläufe der Welt rundherum. 6
    Die Hinduweisen identifizieren dieses rhythmische göttliche
Spiel mit der Evolution des ganzen Kosmos. Sie dachten sich
das Universum als periodisch expandierend und kontrahierend
und gaben der unvorstellbaren Zeitspanne zwischen Beginn
und Ende einer Schöpfung den Namen » Kalpa«. Der menschliche Verstand brauchte über zweitausend Jahre, um einen diesem alten Mythos ähnlichen Gedanken hervorzubringen.
    Kehren wir von der Welt des ganz Großen, des expandierenden Kosmos, zurück zur Welt des unendlich Kleinen, und rekapitulieren wir. Die Physik des zwanzigsten Jahrhunderts charakterisiert ein immer tieferes Eindringen in diese Welt der
submikroskopischen Dimensionen, ein Eindringen in die Welt
der Atome, der Atomkerne und deren Bestandteile. Dieses Erforschen der submikroskopischen Welt wurde durch eine
Grundfrage motiviert, die die Menschheit seit alters her beschäftigt: Woraus besteht die Materie? Vom Beginn der Naturphilosophie an dachte der Mensch über diese Frage nach und
versuchte den »Grundstoff« zu finden, aus dem alle Materie
besteht, aber erst in unserem Jahrhundert wurde es möglich,
experimentell eine Antwort zu suchen. Mit Hilfe einer komplizierten Technik konnten die Physiker zuerst die Struktur der
Atome erforschen und fanden heraus, daß sie aus Atomkernen
und Elektronen bestehen. Dann stellte man fest, daß die
Atomkerne aus den sogenannten Nukleonen, das sind Protonen und Neutronen, bestehen. In den letzten beiden Jahrzehnten ging man noch einen Schritt weiter und begann die Struktur
der Nukleonen, dieser Bestandteile der Atomkerne, zu untersuchen, die anscheinend nicht die letzten Elementarteilchen,
sondern wieder aus anderen Einheiten zusammengesetzt sind.
    Der erste Schritt, die Erforschung der Atome, führte zu den
grundlegenden Änderungen unserer Ansicht von der Materie,
die in den vorigen Kapiteln besprochen wurde. Der zweite
Schritt, das Eindringen in die Atomkerne und deren Bestandteile, bedingte eine nicht weniger grundlegende Änderung. In
dieser subatomaren Welt haben wir es mit Messungen zu tun,
die ein Hunderttausendstel der atomaren Dimensionen betragen, und diese Teilchen bewegen sich sehr viel schneller als die
von atomarer Größe. Sie bewegen sich so schnell, daß sie nur
mit Hilfe der speziellen Relativitätstheorie beschrieben werden
können. Die Eigenschaften und Wechselwirkungen subatomarer Teilchen können nur mithilfe der Quantentheorie und
der Relativitätstheorie erfaßt werden, und diese zwingt uns
wieder zu einer Änderung unserer Auffassung der Materie.
    Das Charakteristische an der relativistischen Theorie ist, daß
sie Grundbegriffe vereinigt, die früher völlig unzusammenhängend erschienen. Eines derwichtigsten Beispiele ist die Gleichsetzung von Masse und Energie, die mathematisch durch Einsteins berühmte Gleichung E=mc 2 ausgedrückt wird. Um die
tiefe Bedeutung dieser Äquivalenz zu verstehen, müssen wir
zuerst die Bedeutung von Energie und von Masse untersuchen.
    Energie ist einer der wichtigsten Begriffe in der Beschreibung von Naturerscheinungen. Wie im täglichen Leben sagen
wir, daß ein Körper Energie enthält, wenn er Arbeit leisten
kann. Diese Energie kann in vielen verschiedenen Formen auftreten. Es kann Bewegungsenergie sein, Wärmeenergie, Gravitationsenergie, elektrische Energie, chemische Energie und so
fort.

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