Das Tao der Physik
sein. Daher kommt der Begriff »Quantenfeld«,
d. h. ein Feld, das die Form von Quanten oder Teilchen annehmen kann. Dies ist tatsächlich ein völlig neuer Begriff, der
auf die Beschreibung aller subatomaren Partikel und ihrer
Wechselwirkungen ausgedehnt wurde, wobei jeder Teilchentyp einem anderen Feld entspricht. In diesen Quanten-Feldtheorien ist der klassische Gegensatz zwischen festen Teilchen
und dem diese umgebenden Raum völlig überwunden. Das
Quantenfeld wird als die fundamentale physikalische Einheit
betrachtet, ein kontinuierliches Medium, das überall im Raum
vorhanden ist, Teilchen sind lediglich eine örtliche Verdichtung
des Feldes, eine Konzentration von Energie, die kommt und
geht und dabei ihren individuellen Charakter verliert und sich
im zugrunde liegenden Feld auflöst. Mit den Worten Albert
Einsteins:
Wir können daher Materie als den Bereich des Raumes betrachten,
in dem das Feld extrem dicht ist... in dieser neuen Physik ist kein
Platz für beides, Feld und Materie, denn das Feld ist die einzige
Realität. 2
Diese Vorstellung von physikalischen Dingen und Erscheinungen als vergängliche Manifestationen einer zugrundeliegenden
fundamentalen Einheit entspricht auch der östlichen Weltanschauung. Wie Einstein betrachten die östlichen Mystiker die
grundlegende Einheit als die einzige Realität; während alle ihre
Erscheinungsformen als vorübergehend und illusorisch gelten.
Diese Realität der östlichen Mystik kann nicht mit dem Quantenfeld der Physiker identifiziert werden, weil sie als das Wesen aller Erscheinungen dieser Welt gesehen wird und folglich jenseits aller Begriffe und Vorstellungen liegt. Das Quantenfeld
dagegen ist ein klar definierter Begriff, der nur einem Teil der
physikalischen Erscheinungen Rechnung trägt. Nichtsdestoweniger kommt die Intuition des östlichen Mystikers, der seine
Erfahrung von der Welt im Sinne einer grundlegend letzten
Wirklichkeit interpretiert, der Deutung der Physiker der subatomaren Welt als Quantenfeld sehr nahe. Anschließend an die
Entstehung des Feldbegriffs versuchten die Physiker, die verschiedenen Felder zu einem einzigen fundamentalen Feld zu
vereinigen, das alle physikalischen Erscheinungen umfaßt. Besonders Einstein verbrachte seine letzten Lebensjahre mit der
Suche nach einem solchen einheitlichen Feld. Das Brahman der
Hindus, wie das Dharmakaya der Buddhisten und das Tao der
Taoisten kann vielleicht als das endgültige einheitliche Feld angesehen werden, aus dem nicht nur alle physikalischen Erscheinungen entstehen, sondern auch alle anderen Phänomene.
Nach östlicher Ansicht ist die allen Phänomenen zugrundeliegende Realität jenseits aller Formen und trotzt jeder Beschreibung und Definition. Es heißt darum oft, daß sie formlos
oder leer sei. Aber diese Leere darf nicht als bloßes Nichts aufgefaßt werden. Es ist im Gegenteil das Wesen aller Formen und
die Quelle allen Lebens, wie es in den Upanischaden heißt:
Brahman ist Leben. Brahman ist Freude. Brahman ist die Leere . . .
Freude, wahrhaftig, ist das gleiche wie die Leere. Die Leere, wahrhaftig, ist das gleiche wie Freude. 3
Mit ihrer Bezeichnung »Sunyata« (Leere) für die höchste Realität drücken die Buddhisten die gleiche Vorstellung aus und
versichern, daß es eine lebendige Leere ist, aus der alle Erscheinungen der Welt entstehen. Die Taoisten schreiben dem
Tao eine gleiche unendliche Kreativität zu und nennen es ebenfalls »leer«. »Das Tao des Himmels ist leer und formlos«, sagt
das Kuan-tzu 4 , und Lao-tzu gebraucht verschiedene Metaphern, um diese Leere zu erläutern. Er vergleicht das Tao oft
mit einem ausgehöhlten Tal oder einem leeren Behälter, der
dadurch fähig ist, eine Unendlichkeit von Dingen zu enthalten.
Obwohl sie den Ausdruck »leer« gebrauchen, machen die
östlichen Weisen deutlich, daß mit Brahman, Sunyata oder Tao
keine gewöhnliche Leere gemeint ist, sondern im Gegenteil
eine Leere mit unbegrenztem schöpferischen Potential. So
kann die Leere der östlichen Mystiker leicht mit dem Quantenfeld der subatomaren Physik verglichen werden. Wie das
Quantenfeld läßt sie eine unbegrenzte Vielfalt von Formen zu,
die sie unterhält und gelegentlich wieder absorbiert. Wie die
Upanischaden sagen:
In Ruhe bete er Es an
Als das, von dem er kommt,
Als das, in dem er sich auflösen wird,
Als das, in dem er atmet. 5
Die Erscheinungsformen der mystischen Leere sind wie die
subatomaren Partikel nicht statisch und permanent, sondern
dynamisch und
Weitere Kostenlose Bücher