Das Tao der Physik
Newtonschen Vorstellung von
einer Kraft assoziieren, die über weite Entfernung spürbar ist.
In der subatomaren Welt gibt es keine solchen Kräfte, sondern
nur Wechselwirkungen
zwischen
Teilchen,
hervorgerufen
durch Felder, d. h. durch andere Teilchen. Daher sprechen die
Physiker lieber von Wechselwirkungen als von Kräften.
Nach der Quanten-Feldtheorie entstehen alle Wechselwirkungen durch den Austausch von Teilchen. Im Fall der elektromagnetischen Wechselwirkungen sind die ausgetauschten
Teilchen Photonen; Nukleonen dagegen wirken durch die viel
stärkere Kernkraft oder »starke Wechselwirkung«, die
sich
durch Austausch einer neuen Art von Teilchen, genannt »Mesonen«, manifestiert. Es gibt viele verschiedene Arten von Mesonen, die zwischen Protonen und Neutronen ausgetauscht
werden können. Je näher die Nukleonen einander sind, desto
zahlreicher und schwerer sind die Mesonen, die sie austauschen. Die Wechselwirkungen zwischen Nukleonen sind somit
an die Eigenschaften der ausgetauschten Mesonen gekoppelt,
und diese wiederum wirken durch den Austausch anderer Teilchen aufeinander. Aus diesem Grund werden wir die Kernkraft
grundsätzlich nicht verstehen können, ohne das ganze Spektrum subatomarer Teilchen zu verstehen.
In der Quanten-Feldtheorie können alle Teilchen-Wechselwirkungen in Raum-Zeit-Diagrammen dargestellt werden, und
jedes Diagramm ist mit einem mathematischen Ausdruck verbunden, der die Berechnung der Wahrscheinlichkeit für das
Auftreten des entsprechenden Vorgangs gestattet. Die exakte
Entsprechung zwischen Diagrammen und den mathematischen
Ausdrücken wurde 1949 von Richard Feynman aufgestellt,
und seitdem kennt man diese Diagramme als Feynman-Diagramme. Eine entscheidende Eigenschaft dieser Theorie ist die
Erzeugung und Vernichtung von Teilchen. So wird z. B. das
Photon in unserem Diagramm im Emissionsprozeß in Punkt A
erzeugt und in Punkt B absorbiert und damit vernichtet. Solch
ein Prozeß kann nur in einer relativistischen Theorie begriffen
werden, wo Teilchen nicht als unzerstörbare Objekte gelten,
sondern als dynamische Strukturen mit einem bestimmten
Energiegeh alt,
der umverteilt werden kann, wenn neue Strukturen entstehen.
Die Erzeugung von Masseteilchen ist nur möglich, wenn die der
Masse entsprechende Energie geliefert wird, zum Beispiel in
Kollisionsprozessen. Im Fall der starken Wechselwirkung ist
diese Energie nicht immer verfügbar, wenn z. B. in einem
Atomkern zwei Nukleonen miteinander wechselwirken. In solchen Fällen müßte der Austausch von massetragenden Mesonen daher unmöglich sein. Und doch findet dieser Austausch
statt. Zwei Protonen können beispielsweise ein »Pi-Meson«
oder »Pion« austauschen, dessen Masse etwa ein Siebtel der
Protonenmasse betragt:
Austausch eines Pions (π) zwischen zwei Protonen (p)
Der Grund
dafür, daß diese Austauschprozesse trotz des offensichtlichen Mangels an Erzeugungsenergie für das Meson stattfinden können, liegt in einem »Quanten-Effekt«, der mit dem
Unsicherheitsprinzip zusammenhängt. Subatomare Vorgänge,
die in einer kurzen Zeitspanne ablaufen, sind mit einer großen
Unsicherheit der Energie verbunden. Der Austausch von Mesonen, d. h. ihre Erzeugung und anschließende Vernichtung, ist
ein Vorgang dieser Art. Er läuft in einer so kurzen Zeit ab, daß
die Unsicherheit der Energie für die Erzeugung der Mesonen
ausreicht. Diese Mesonen nennt man »virtuelle« Teilchen. Sie
sind anders als die in Kollisionsprozessen entstandenen »reellen« Mesonen, da sie nur in der Zeitspanne existieren können,
die das Unsicherheitsprinzip gestattet. Je schwerer die Mesonen sind (d. h. je mehr Energie ihre Erzeugung erfordert), desto weniger Zeit steht dem Austauschprozeß zur Verfügung.
Daher können Nukleonen schwere Mesonen nur austauschen,
wenn sie einander sehr nahe sind. Der Austausch von virtuellen
Photonen dagegen kann über beliebige Entfernungen erfolgen,
da die masselosen Photonen aus beliebig kleinen Energiebeträgen erzeugt werden können. Diese Analyse der nuklearen und
elektromagnetischen
Kräfte ermöglichte es Hideki Yukawa
1935, nicht nur die Existenz des Pions zwölf Jahre, bevor es beobachtet wurde, vorauszusagen, sondern auch dessen Masse
aus der Reichweite der Nuklearkräfte ungefähr abzuschätzen.
In der Quanten-Feldtheorie werden also alle Wechselwirkungen als Austausch von virtuellen Teilchen dargestellt. Je
stärker die Wechselwirkung, d. h. je stärker die resultierende
»Kraft« zwischen den Teilchen,
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