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Das Tao der Physik

Das Tao der Physik

Titel: Das Tao der Physik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritjof Capra
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wandelbar; sie entstehen und vergehen in einem unaufhörlichen Tanz von Bewegung und Energie. Wie die
subatomare Welt des Physikers ist die Formenwelt der östlichen Mystiker eine Welt des »Samsara«, der steten Folge von
Geburt und Tod. Als vergängliche Erscheinungsformen der
Leere haben die Dinge in dieser Welt keinerlei fundamentale
Identität. Dies wird besonders in der buddhistischen Philosophie hervorgehoben, die keine Existenz einer materiellen Substanz gelten läßt und betont, daß die Vorstellung von einem
konstanten »Selbst«, das verschiedene Erfahrungen macht,
eine Illusion ist. Die Buddhisten haben diese Illusion von einer
materiellen Substanz und einem individuellen Selbst oft mit einer Wasserwelle verglichen, in der die Auf- und Abbewegung
der Wasserpartikel uns glauben läßt, daß sich ein »Stück« Wasser über die Oberfläche bewegt (vgl. S. 152). Es ist interessant,
daß Physiker im Zusammenhang mit der Feldtheorie die gleiche Analogie benutzen, um auf die Illusion einer von einem sich
bewegenden Teilchen erzeugten
Substanz hinzuweisen. So
schreibt Hermann Weyl:
    Nach der Feldtheorie der Materie ist ein Masseteilchen wie ein
Elektron nur ein kleiner Bereich des elektrischen Feldes, in dem die
Feldstärke enorm hohe Werte annimmt, so daß eine vergleichsweise sehr große Feldenergie sich in einem sehr kleinen Raum konzentriert. Solch ein Energieknoten, der keineswegs klar gegen das
übrige Feld abgegrenzt ist, breitet sich wie eine Wasserwelle auf der
Oberfläche eines Sees durch den leeren Raum aus. So etwas wie ein
und dieselbe Substanz, aus der das Elektron die ganze Zeit besteht,
gibt es nicht. 6
    In der chinesischen Philosophie ist die Feldidee nicht nur in der
Vorstellung vom »Leeren und Formlosen« enthalten, sondern
wird auch im Begriff des »Ch'i« ausgedrückt. Dieser Begriff
spielte eine wichtige Rolle in fast jeder Schule der chinesischen
Naturphilosophie und war im Neo-Konfuzianismus besonders
wichtig, der eine Synthese aus Konfuzianismus, Buddhismus
und Taoismus anstrebte (vgl. S. 112). Das Wort »Ch'i« bedeutet
wörtlich »Gas« oder »Äther« und bezeichnete im alten China
den Lebensatem oder die Energie, die den Kosmos belebt. Im
menschlichen Körper sind die »Pfade des Ch'i« die Grundlage
der traditionellen chinesischen Medizin. Das Ziel der Akkupunktur ist die Anregung des Flusses des Ch'i durch diese Kanäle. Das Fließen des Ch'i ist auch die Basis der fließenden Bewegungen des T'ai Chi Ch'uan, des taoistischen Tanzes des
Kriegers.
    Die Neo-Konfuzianer entwickelten eine Vorstellung vom
Ch'i, die eine
auffallende Ähnlichkeit mit dem Begriff des
Quantenfelds in der modernen Physik aufweist. Wie das Quantenfeld wird Ch'i als dünne, nicht wahrnehmbare Form von
Materie aufgefaßt, die im gesamten Raum vorhanden ist und
sich zu festen materiellen Objekten verdichten kann. Mit den
Worten von Chang Tsai:
    Wenn sich das Ch'i verdichtet, wird seine Sichtbarkeit augenscheinlich, so daß es dann die Formen (der individuellen Dinge) gibt.
Wenn es sich verdünnt, ist seine Sichtbarkeit nicht mehr augenscheinlich, und es gibt keine Formen. Kann man bei seiner Verdichtung etwas anderes sagen, als daß dies nur zeitweilig ist? Aber kann
man bei seiner Zerstreuung vorschnell sagen, daß es dann nicht existiert? 7
    So verdichtet und verdünnt sich Ch'i rhythmisch und erzeugt
alle Formen, die sich gelegentlich wieder in der Leere auflösen.
Dasselbe bringt Chang Tsai zum Ausdruck:
    Die große Leere kann nur aus Ch'i bestehen; dieses Ch'i muß sich
verdichten, um alle Dinge zu bilden; und diese Dinge müssen sich
wieder auflösen, um wieder die große Leere zu bilden. 8
    Wie in der Feldtheorie ist das Feld - oder das Ch'i - nicht nur
die grundlegende Essenz aller materiellen Objekte, sondern es
trägt auch die gegenseitigen Wechselbeziehungen in Form von
Wellen. Die folgende Beschreibung des Feldbegriffs der modernen Physik von Walter Thirring und der chinesischen Ansicht von der physikalischen Welt von Joseph Needham decken
die starke Ähnlichkeit auf:
    Die moderne theoretische Physik . . . hat unser Denken vom Wesen
der Materie in andere Bahnen gelenkt. Sie hat den Blick von dem
zunächst Sichtbaren, nämlich den Teilchen, weitergeführt zu dem,
was dahinterliegt, dem Feld. Anwesenheit von Materie ist nur eine
Störung des vollkommenen Zustandes des Feldes an dieser Stelle,
etwas Zufälliges, man möchte fast sagen nur ein »Schmutzeffekt«.
Dementsprechend gibt es auch keine

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