Das Tattoo
Seite und sah seinen Partner fragend an.
„Ich bin mit Vorurteilen in diese Ermittlung hineingegangen. Und darauf bin ich alles andere als stolz”, erklärte Dawson.
„Dann glaubst du also, der Ehemann sagt die Wahrheit?”
Dawson zuckte die Schultern. „Vielleicht … vielleicht auch nicht. Hast du irgendwas herausgefunden?”
„Eine Nachbarin, die ein paar Häuser die Straße runter wohnt, hat berichtet, dass sie heute Vormittag, als sie vom Einkaufen kam, an der roten Ampel fast von einem Auto mit dunkel
getönten Scheiben umgefahren wurde. Sie glaubt gesehen zu ha ben, dass es vor dem Haus der LeGrands geparkt hatte, aber sie ist sich nicht sicher.”
„Ich nehme nicht an, dass sie sich die Nummer gemerkt hat?”
Ramsey schüttelte den Kopf.
Dawson seufzte. „Warum überrascht mich das nicht?”
„Und was haben wir als nächstes auf dem Zettel?” fragte Ramsey.
Dawson stieß noch einen Seufzer aus. „LeGrands Aussage überprüfen und hoffen, dass wir irgendwo eine Spur finden … und gleichzeitig darum beten, dass dieser verdammte Regen end lich aufhört. Ich habe es nämlich satt, ständig mit nassen Füßen nach Hause zu kommen.”
Clay saß in einer Ecke des Wohnzimmers und starrte durch das Fenster hinaus in die Dunkelheit. Im Haus war es jetzt still. Die Polizei war schon seit Stunden weg und auch seine Eltern, die wenig später auf der Bildfläche erschienen waren, waren wieder gegangen. Ihre Sorge hatte seine Angst nur noch verstärkt. Fran kie war sein Leben gewesen, und nun, da sie nicht mehr da war, erschien ihm alles unwirklich.
Er zuckte zusammen, als der Regen erneut gegen die Fenster zu trommeln begann. Die Temperatur sank kontinuierlich von Stunde zu Stunde. Der Wetterbericht hatte sogar Schnee voraus gesagt.
Als ihn das Heulen einer Sirene aus seinen Gedanken riss, stemmte er sich aus seinem Sessel hoch und ging zur Eingangstür. Ein starker Windstoß peitschte ihm den Regen ins Gesicht, wäh rend er auf der Schwelle stand und in die Nacht hinausschaute. Die Regentropfen glitzerten im Schein der Straßenlaternen wie ein Meer aus Tränen, das sich im Rinnstein sammelte und in den
Gully floss. Er trat auf die Veranda hinaus und spähte in die Dun kelheit, in der verzweifelten Hoffnung, Frankie würde vielleicht wunderbarerweise plötzlich am Ende der Straße auftauchen. Doch er sah und hörte nichts außer dem Regen.
Er begann zu zittern. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Bestimmt gab es irgendeine ganz einfache Erklärung, die ihm bloß noch nicht eingefallen war. Es musste ganz einfach eine Erklärung geben.
Verdammt, hatte er nicht geschworen, seine Frau immer und überall zu beschützen? In seiner Kehle stieg ein heiseres Schluch zen auf. Du lieber Gott. Aber wie sollte er sie denn beschützen, wenn er nicht einmal wusste, wo sie steckte?
Er überquerte die Veranda und trat hinaus ins Freie. Der Regen, den ihm der eisige Wind ins Gesicht trieb, bohrte sich wie Nadelspitzen in seine Haut. Sein Herz hämmerte wild und sein Magen zog sich zusammen. Jeder Atemzug war eine Qual.
Das nasse Haar klebte ihm wie eine schwarze Kappe am Kopf, seine Kleider waren völlig durchgeweicht. Als er die Stra ßenmitte erreicht hatte, blieb er stehen, hob schützend die Hände über seine Augen und starrte zuerst in die eine, dann in die ande re Richtung. Doch um ihn herum war nichts als Regen. Dann wurde er von seinem Schmerz übermannt. Er warf den Kopf in den Nacken und schrie ihren Namen so laut er konnte hinaus in die Dunkelheit.
„Francesca!”
Doch es kam keine Antwort.
2. KAPITEL
Denver, Colorado: Zwei Jahre später
Der Oktoberregen trommelte auf Clay LeGrands Schutzhelm, als er seinen Werkzeuggürtel auf den Beifahrersitz seines Trucks warf.
„Okay, Leute, das war’s dann. Schluss für heute. Wir können erst weitermachen, wenn der Regen aufhört.”
Während die Männer zu ihren Trucks gingen, grummelten sie in sich hinein, aber insgeheim mussten sie ihrem Boss Recht geben. Bei so einem Wetter zu arbeiten, wäre äußerst riskant gewe sen, und keiner von ihnen wollte schließlich in einem Kranken hausbett landen.
Bevor Clay in seinen Truck stieg, ließ er seinen Blick noch ein letztes Mal über den Bauplatz schweifen. Natürlich hatte er jetzt, nachdem er hier der Chef war, mehr Arbeit und wesentlich mehr Verantwortung als früher. Andererseits war es für seine Nerven das einzig Richtige gewesen, die Anteile seines Vaters zu über nehmen.
Er ließ den
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