Das Teehaus im Grünen
Geldverschwendung!«
»Aber Vicky ist ein prima Mädchen!«
»Vor der Heirat sind sie alle prima«, brummte Len. »Es ist einfach schändlich, wie die Menschen ihr Geld zum Fenster hinauswerfen. Es geht einem direkt gegen den Strich, diese Rechnungen zu schreiben.«
»Dir geht es seit je gegen den Strich, etwas zu verkaufen«, erwiderte Amy vorwurfsvoll. »Du brauchst dich wirklich nicht zu beklagen. Aber ich finde es schon schlimm, daß Mr. James so unglücklich ist.«
»So ist das Leben nun einmal«, gab Len düster zur Antwort. »So ist es stets gewesen, und so wird es auch bleiben. Und ich habe das Rechnungenschreiben jetzt gründlich satt!« Damit knallte er sein Hauptbuch zu.
Die nächste Woche ging vorüber; Gordon wurde immer ungeduldiger. Schließlich mußte ihm Lucy doch Näheres über Vickys Probleme erzählen. Gordon kam zu dem Schluß, dieser Seymour müsse ein rechter Esel sein. »Wenn er das Mädchen gern hat, warum kommt er da nicht her und sagt es ihr? Es ist doch zu blöd, sich im Schmollwinkel zu verkriechen, statt reinen Tisch zu machen.«
»Ich finde es auch albern, aber so ist er nun mal.«
»Zum Ehemann ist er da aber nicht geeignet.«
Im stillen war Lucy seiner Meinung, aber sie hielt sehr viel von Vickys diplomatischem Geschick. »Sie weiß, was sie will; sie wird ihn schon zur Vernunft bringen, ohne daß er es merkt. Du mußt auch bedenken, daß ihm sein eigenes Mißgeschick und später das seines Bruders einen gehörigen Schock versetzt hat.«
»Ein Mann, dem jahrelang ein paar Frauen im Magen liegen, die es gar nicht wert sind, ist ein Narr!« erklärte Gordon im Brustton der Überzeugung.
Vicky arbeitete viel und redete wenig. Sie versorgte Mrs. Kelston und ertrug geduldig die Spinnen bei Tag und die Brummer am Abend; aber immer stärker sehnte sie die Abreise der alten Dame herbei. Der Tea-Room war gut besucht; im Laufe des Sommers hatten sie ganz hübsch verdient.
»Und ehe der Winter kommt, hole ich diesen Menschen entweder aus seinem Versteck heraus, oder ich gehe ins Kloster«, versicherte sie.
Samstags und sonntags gab es die meiste Arbeit. Da fuhren die Leute aus der Stadt hinaus aufs Land und kehrten gern zum Tee in dem schönen alten Haus ein. Zum Wochenende hatten sie oft ebenso viele Gäste wie an den fünf übrigen Tagen zusammen. Im allgemeinen freilich hielt sich die Arbeit in erträglichen Grenzen. Beide hatten eine gewisse Routine gewonnen, wobei ihnen Seymours Tiefkühlschrank oft genug zustatten kam.
»Obgleich ich einen gehörigen Zorn auf ihn habe, werde ich ihm doch nicht aus beleidigtem Stolz seine Gefriertruhe zurückgeben«, erklärte Vicky. »Sie ist wirklich praktisch. Wer weiß, vielleicht bringt sie uns wieder zueinander«, setzte sie mit einem gezwungenen Lächeln hinzu.
An einem Samstagabend brach die Katastrophe herein. Im Tea-Room ging es lebhaft, aber friedlich zu. Zwölf Gäste saßen in dem großen Raum, weitere vier auf der Veranda. Lucy setzte gerade ein vollbeladenes Tablett nieder, da entstand plötzlich eine Panik: Die vier Gäste drängten von der Veranda nach drinnen. Die beiden Männer und die beiden gutaussehenden Damen, die kurz zuvor so unbeschwert miteinander geplaudert hatten, verhielten sich auf einmal ziemlich rücksichtslos. Sie stießen und schoben sich, um nur ja schnell genug durch die Tür zu kommen. Lucy fragte mißbilligend: »Was ist denn los?«
Im selben Augenblick erschien Vicky mit einem Aufschrei in der anderen Tür; die Gäste, die ruhig bei ihrem Tee saßen, blickten sich um. Eine Frau begann zu kreischen, eine andere rief: »Wespen! Wespen in hellen Scharen!«
Die Flüchtlinge von der Veranda hatten die Tür nicht schnell genug hinter sich geschlossen; ein Schwarm zorniger Wespen war ihnen gefolgt, und weitere Schwärme drangen durch die offenen Fenster in den Raum.
Im Nu brach die Hölle los. Ein Mann rief laut, man solle die Ruhe bewahren, dann werde man nicht gestochen. Aber niemand hörte auf ihn. Zwei Frauen krochen unter die Tische, eine andere schob das Geschirr weg, packte das Tischtuch und wickelte sich hinein. Vier Gäste stürmten in die Küche, aber auch sie wurden von den behenden Wespen verfolgt. In ihrer Not flüchteten sie weiter ins Badezimmer und verbarrikadierten sich dort. Das ganze Haus schien von angstvollen Menschen und bösartigen Wespen erfüllt zu sein.
Mit einem erstickten Klagelaut setzte Vicky ihr Tablett nieder, um den Kampf aufzunehmen. Es sei die tapferste Stunde ihres Lebens
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