Das Testament der Götter
und seine Peiniger waren zu zahlreich. Ein Mann hat das Verhör geführt und ihm dann grausam die Kehle durchschnitten. Dieser Verbrecher, dieser Verräter an seinem Heimatland, das war hier der Heerführer Ascher.« Der Beschuldigte blieb unerschüttert.
Fassungslos hielt die Versammlung den Atem an. Die Gesichter der Geschworenen hatten sich jäh verschlossen.
»Diese unerhörten Äußerungen entbehren jeglicher Grundlage«, verkündete Ascher mit beinahe heiterer Stimme.
»Es abzustreiten, genügt nicht. Ich habe Euch gesehen, Mörder!«
»Bewahrt Eure Ruhe«, befahl der Richter. »Diese Aussage beweist, daß der Heerführer Ascher mit dem Feind zusammenwirkt. Und eben deshalb bleibt der libysche Aufständische Adafi unauffindbar. Sein Spießgeselle warnt ihn im voraus vor einer Bewegung unserer Truppen und bereitet mit ihm einen Einfall in Ägypten vor. Die Schuld des Heerführers läßt vermuten, daß er in der Angelegenheit um den Sphinx nicht unschuldig ist; hat er die fünf Altgedienten töten lassen, um die von Scheschi hergestellten Waffen zu erproben? Eine zusätzliche Untersuchung wird dies zweifelsohne beweisen, indem sie die verschiedenen Punkte, die ich dargelegt habe, miteinander verbinden wird.«
»Meine Schuld ist nicht bewiesen«, fand Ascher. »Zieht Ihr das Wort des Offiziers Sethi in Zweifel?«
»Ich halte ihn für aufrichtig, doch er irrt sich. Seiner eigenen Aussage zufolge war er am Ende seiner Kräfte. Wahrscheinlich haben seine Augen ihn getrogen.«
»Die Züge des Mörders haben sich unauslöschlich meinem Gedächtnis eingeprägt«, bekräftigte Sethi, »und ich habe mir geschworen, ihn wiederzufinden. Zu diesem Zeitpunkt war mir noch unbekannt, daß es sich dabei um den Heerführer Ascher handelte. Ich habe ihn bei unserer ersten Begegnung erkannt, als er mich nämlich zu meinen Heldentaten beglückwünscht hat.«
»Habt Ihr Späher in feindliches Gebiet entsandt?« fragte Paser.
»Gewiß«, antwortete Ascher. »Wie viele?«
»Drei.«
»Wurden ihre Namen im Amt für fremde Länder aufgenommen?«
»So ist die Vorschrift.«
»Sind sie lebend vom letzten Feldzug zurückgekehrt?«
Zum ersten Male geriet der Krieger ins Wanken. »Nein … einer von ihnen ist verschollen.«
»Derjenige, den Ihr mit Euren eigenen Händen getötet habt, da er Euer Spiel durchschaut hatte.«
»Das ist falsch. Ich bin nicht schuldig.« Die Geschworenen vermerkten, daß seine Stimme zitterte.
»Ihr, der mit Ehren überhäuft ist, der Offiziere ausbildet, Ihr habt Euer Land auf schändlichste Art und Weise verraten. Es ist Zeit zu gestehen, Heerführer.«
Aschers Blick verlor sich im Ungewissen. Diesmal schien er kurz davor aufzugeben. »Sethi hat sich geirrt.«
»Man möge mich im Beisein von Offizieren und Schreibern zum besagten Ort schicken«, schlug der Streitwagenführer vor. »Ich werde die Stelle wiedererkennen, wo ich den Unglücklichen notdürftig bestattet habe. Wir werden seine sterbliche Hülle heimführen, seinen Namen herausfinden und ihm eine würdige Grabstätte geben.«
»Ich ordne eine augenblickliche Erkundung an«, tat Paser kund. »Heerführer Ascher wird unter Bewachung der Ordnungskräfte in der Hauptkaserne von Memphis festgesetzt. Jede Verbindung nach draußen wird ihm bis zu Sethis Rückkehr untersagt. Wir werden sodann die Verhandlung wieder aufnehmen, und die Geschworenen werden ihren Spruch fällen.«
38. Kapitel
Memphis erscholl noch vom Widerhall der Gerichtsverhandlung.
Manche erachteten den Heerführer Ascher bereits als den abscheulichsten aller Verräter, rühmten Sethis Mut und die Sachkunde des Richters Paser. Letzterer hätte liebend gerne Branirs Rat eingeholt, doch das Gesetz verbot es ihm, sich vor dem Ende des Rechtsgangs mit den Geschworenen zu bereden. Er schlug mehrere Einladungen angesehener Persönlichkeiten aus und verschloß sich in seinem Haus. In weniger als einer Woche würde der Erkundungszug mit dem Leichnam des von Ascher ermordeten Spähers zurückkehren, der hochrangige Krieger überführt und zum Tode verurteilt werden. Sethi würde im Rang aufsteigen. Doch vor allem würde die Verschwörung zerschlagen und Ägypten vor einer Gefahr gerettet werden, die sowohl von außen als auch von innen her bestand. Wenngleich Scheschi durch die Maschen des Netzes schlüpfen mochte, würde das Ziel erreicht werden. Paser hatte Neferet nicht belogen. Nicht einen Augenblick hatte er aufgehört, an sie zu denken. Selbst während der Verhandlung hatte
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