Das Testament der Götter
bewacht!«
»Ja und nein. Eine Rauferei, unweit der Kornhäuser, hat sie gezwungen, unverzüglich einzuschreiten. Wer könnte es ihnen verargen? Als sie ihren Wachdienst wieder aufnahmen, haben sie den Diebstahl festgestellt. Verwunderlich ist, daß der Zustand des Speichers nun dem Bericht des Verwalters entspricht.«
»Und die Schuldigen?«
»Keine ernsthafte Spur.«
»Keine Zeugen?«
»Das Viertel war menschenleer, und das Unternehmen wurde flink durchgeführt. Es wird nicht leicht sein, die Namen der Diebe ausfindig zu machen.«
»Ich nehme an, Eure besten Kräfte sind auf die Angelegenheit angesetzt.«
»Da könnt Ihr Euch auf mich verlassen.«
»Unter uns, Monthmose, welche Meinung habt Ihr von mir?«
»Nun … Ich betrachte Euch als einen sehr pflichtbewußten Richter.«
»Räumt Ihr mir ein wenig Klugheit ein?«
»Mein teurer Paser, Ihr unterschätzt Euch.«
»In dem Fall wißt Ihr sicher, daß ich Eurer Geschichte nicht den geringsten Glauben schenke.«
Zum wiederholten Male einem ihrer häufigen Angstzustände ausgesetzt, hatte Dame Silkis sich der aufmerksamen Pflege eines eigens für seelische Störungen geschulten Heilkundigen und Traumdeuters anheimgegeben. Sein ganz in Schwarz gestrichenes Behandlungszimmer war in Dunkelheit getaucht. Jede Woche streckte sie sich dort auf einer Matte aus, erzählte ihm ihre Alpträume und erbat seinen Rat. Der Traumdeuter war ein seit vielen Jahren in Memphis niedergelassener Syrer; er bediente sich zahlloser Zauberbücher und Traumbücher {64} und verstand seiner Kundschaft aus vornehmen Damen und wohlhabenden Gemeinen zu schmeicheln. Daher auch war sein Entgelt entsprechend hoch; brachte er diesen armen Geschöpfen mit zartem Gemüt denn nicht regelmäßig Trost und Stärkung? Der Deuter legte Nachdruck auf die unbegrenzte Dauer der Behandlung; hörte man denn je auf zu träumen? Zudem war er allein imstande, den Sinn der Bilder und Hirngespinste auszulegen, die ein schlummerndes Hirn peinigten. Sehr behutsam wies er die meisten Annäherungsversuche seiner an mangelnder Zuneigung leidenden Kundinnen zurück und gab nur den noch anziehenden Witwen nach. Silkis kaute an ihren Nägeln. »Habt Ihr Euch mit Eurem Gemahl gestritten?«
»Wegen der Kinder.«
»Was haben sie angestellt?«
»Sie lügen. Aber das ist doch wahrhaftig nicht so schlimm! Mein Gemahl erregt sich, ich verteidige sie, der Ton wird lauter.«
»Schlägt er Euch?«
»Ein wenig, aber ich wehre mich.«
»Ist er mit Eurer körperlichen Verwandlung zufrieden?«
»Oh ja! Er frißt mir regelrecht aus der Hand … manchmal kann ich mit ihm machen, was ich will, sofern ich mich nicht um seine Geschäfte kümmere.«
»Hättet Ihr denn Gefallen daran?«
»Ganz und gar nicht. Wir sind reich, das ist die Hauptsache.«
»Wie habt Ihr Euch nach Eurem letzten Zwist verhalten?«
»Wie gewöhnlich. Ich habe mich in meinem Zimmer eingeschlossen und habe geweint. Danach bin ich eingeschlafen.«
»Hattet Ihr lange Träume?«
»Stets dieselben Bilder. Zuerst habe ich Nebel gesehen, der vom Fluß aufstieg. Irgend etwas, zweifelsohne ein Schiff, versuchte, ihn zu durchdringen. Dank der Sonne hat sich der Nebel aufgelöst. Das Ding aber war ein gewaltiges Glied, das sich immer weiter vorwärtsschob! Ich habe mich abgewandt und wollte mich in ein Haus am Ufer des Nils flüchten.
Doch es war kein Gemäuer, sondern ein weibliches Geschlecht, das mich anzog und gleichzeitig erschreckte.«
Silkis atmete keuchend.
»Hütet Euch«, empfahl ihr der Deuter. »Den Traumbüchern zufolge kündigt ein Glied zu sehen einen Diebstahl an.«
»Und ein weibliches Geschlecht?«
»Arge Not.«
Mit zerzaustem Haar begab Silkis sich unverzüglich zum Lagerhaus. Ihr Gatte schalt gerade zwei Männer, die mit hängenden Armen und untröstlichen Gesichtern dastanden.
»Verzeih mir, dich zu belästigen, mein Liebling. Du mußt dich in acht nehmen, man wird dich bestehlen, unduns droht arge Not.«
»Deine Warnung kommt zu spät. Diese Schiffsführer erklären mir, wie ihre anderen Berufsgenossen, daß kein Schiff zur Verfügung steht, um meinen Papyrus vom Delta nach Memphis zu befördern. Unser Lager wird leer bleiben.«
30. Kapitel
Richter Paser ließ Bel-ter-ans Zorn über sich ergehen.
»Was erwartet Ihr von mir?«
»Daß Ihr wegen Behinderung des freien Warenverkehrs einschreitet. Die Bestellungen strömen herbei, und ich kann keine einzige ausliefern!«
»Sobald ein Schiff verfügbar ist …«
»Nicht
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