Das Testament eines Excentrischen
hundertdreißigtausend Einwohner, während die erstere deren nur achtunddreißigtausend zählt. Lägen beide in dem nämlichen Staate, so würden sie thatsächlich nur ein einziges Gemeinwesen bilden.
Uebrigens lag es auch in Max Real’s Absicht, weder in dem Kansas von Kansas, noch in dem Kansas von Missouri länger als vierundzwanzig Stunden zu verweilen. Die beiden Städte gleichen sich wie zwei Damenbretter, und wer die eine gesehen hat, hat auch die andre gesehen. Am Morgen des 4. Mai brach Max Real denn auch auf, um sich nach Fort Riley zu begeben; jetzt gedachte er aber als Künstler zu reisen. Wohl benutzte er wiederum die Eisenbahn, war aber entschlossen, an allen Stationen, die ihm gefielen, auszusteigen und die Umgebung zu durchstreifen, wovon er für seine Mappe manche Bereicherung erhoffte. Wenn er auch als erster abgereist war, brauchte er ja nicht auch als erster an dem bestimmten Ziele einzutreffen.
Hier dehnte sich nicht mehr die einstmalige »amerikanische Wüste« vor seinen Augen aus. Die weite Ebene erhebt sich nach Westen zu allmählich bis zur Höhe von fünfhundert Toisen (1 Toise gleich 195 Meter) an der Grenze von Colorado. Ihre seichten Bodenwellen sind von tiefen, bewaldeten Gründen unterbrochen und zuweilen durch unübersehbare Steppen getrennt, worauf einst die Kansas-, die Lochnasen-, die Oteasindianer und andre mit dem Sammelnamen Rothhäute bezeichnete Stämme hausten. Die Ursache der vollständigen Veränderung der hiesigen Gegend war aber das Verschwinden der Cypressenhaine und Tannenwaldungen gewesen, an deren Stelle auf den Savannen Anpflanzungen von Millionen von Obstbäumen traten, und die gleichzeitige Errichtung von Baumschulen zur Instandhaltung der Obst-und Weingärten. Ungeheure Flächen, die der Cultur des damals in Aufnahme gekommenen Sorgho zum Zwecke der Zuckergewinnung dienten, wechselten mit Gerste-, Roggen-, Buchweizen-und Weizenfeldern, die Kansas zu einem der reichsten Gebiete der Union machen.
Ein üppiger Flor von Blumen der verschiedensten Arten bekränzte die Ufer des Kansas, darunter vor allem zahllose Gruppen von Beifuß mit seinen wolleähnlichen Blättern, von dem hier mehr kraut-und dort mehr strauchartige Exemplare die Luft mit erfrischendem Terpentinduft sättigten.
Während er so von Station zu Station ging, vier bis fünf Meilen weit ins Land hinaus wanderte und zahlreiche Bilderskizzen zeichnete, brauchte Max Real eine ganze Woche, ehe er nach Topeka kam, wo er am Nachmittage des 13. Mai eintraf.
Topeka ist die Hauptstadt von Kansas, die ihren Namen von den wild wachsenden Kartoffeln hat, welche auf den Thalabhängen der Umgebung vielfach vorkommen. Die Stadt liegt am südlichen Ufer des Wasserlaufes und hat am andern Ufer noch eine dazu gerechnete Vorstadt.
Hier sollte einen halben Tag Rast gemacht werden, eine Rast, die Max Real und dem jungen Neger gleichzeitig nöthig war und die erst am nächsten Tage durch eine Besichtigung der Hauptstadt unterbrochen wurde. Ihre zweiunddreißigtausend Bewohner ahnten gar nicht, daß der berühmte Partner unter ihnen weilte, dessen Name übrigens auf allen Maueranschlägen prangte. Und doch erwartete man sozusagen schon, daß er hier durchkäme. Man sagte sich, daß er. um nach Fort Riley zu gelangen, keine andere Bahnlinie als die von Kansas nach Topeka benutzen könnte. Dennoch sollten sich die Leute in ihrer Erwartung getäuscht sehen, denn Max Real fuhr am Morgen des 14. weiter, ohne daß seine Anwesenheit auch nur einen Augenblick vermuthet worden wäre.
Fort Riley, an der Vereinigung des Smoky Hill und des Republicanflusses, liegt nur sechzig Meilen von hier. Max Real konnte da also bequem am heutigen Abend oder, wenn ihm der Einfall kam, auf dem Wege noch einmal einen kleinen Ausflug zu machen, doch am folgenden Tage eintreffen. Wirklich entschloß er sich, die Eisenbahn auf der Station Manhattan noch einmal zu verlassen. Es fehlte aber nicht viel, daß er hierdurch gleich im Anfange der Partie aufgehalten worden und des Rechtes der weitern Betheiligung daran verlustig gegangen wäre.
Der Künstler in ihm hatte eben den Sieg davongetragen über die Schachfigur, die der Zufall durch diese Gegend führte.
An der vorletzten Station, kaum drei bis vier Meilen vor Fort Riley abgestiegen, hatten sich Max Real und Tommy am Nachmittage nach dem linken Ufer des Kansas begeben. Da ein halber Tag zum Wege dahin und zum Rückwege bequem ausreichen mußte, auch wenn sie ihn zu Fuß zurücklegten, glaubten
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