Das Testament eines Excentrischen
gewesen waren.
Zum Glück für Tommy war dieser unserem Max Real empfohlen worden. Er war intelligent, offenherzig, führte sich gut auf und schenkte denen treue Zuneigung, die ihm nur einige Liebe erwiesen. So schloß er sich an den jungen Künstler an, bei dem er auch eine recht gesicherte Stellung finden sollte.
Eines nur beklagte er, ohne daraus ein Hehl zu machen, daß er seinem Herrn nicht ganz und gar, mit dem Leibe ebenso wie mit der Seele gehörte.
»Doch warum? fragte Max Real.
– Weil ich, wenn Sie mein Herr so wie früher einer wären, wenn Sie mich gekauft hätten, ganz Ihnen gehörte.
– Welchen Vortheil hättest Du davon, mein Junge?
– Ei, doch den, daß Sie mich nicht kurzer Hand wegschicken könnten, wie einen Diener, mit dem man nicht mehr zufrieden ist.
– Aber, Tommy, wer spricht denn davon, Dich wegzuschicken?… Uebrigens, wenn Du mein Sclave wärst, könnt’ ich Dich ja verkaufen…
– O, mein lieber Herr, das wäre doch ein Unterschied und jedenfalls sicherer…
– In keiner Weise, Tommy.
– Doch… doch… und dann stünde es auch mir nicht frei, zu gehen!
– Na, sei nur ruhig; ich bin ja mit Dir zufrieden. Ich werde Dich schon noch kaufen.
– Und von wem… ich gehöre doch niemand?…
– Von Dir… von Dir selbst… wenn ich einmal reich bin… und so theuer, wie Du dann willst!«
Tommy nickte wie zustimmend mit dem Kopfe, seine Augen leuchteten glänzender auf und er lächelte, wobei eine Doppelreihe blendend weißer Zähne zum Vorschein kam, so glücklich machte ihn der Gedanke, sich noch einmal an seinen Herrn zu verkaufen, um diesen nur noch mehr zu lieben…
Selbstverständlich war der junge Farbige hoch erfreut, ihn auf dieser Reise durch die Vereinigten Staaten begleiten zu dürfen. Es hätte ihm schweren Kummer bereitet, jenen allein abreisen zu sehen, auch wenn es sich nur um eine Trennung auf wenige Tage gehandelt hätte. Wer konnte aber wissen, ob die unter so seltsamen Umständen zu Stande gekommene Partie, wenn kein merkwürdiger Zufall ihre schnelle Beendigung herbeiführte, nicht Wochen lang, vielleicht viele Monate lang dauerte, ehe einer den dreiundsechzigsten Staat erreichte.
Mochte die Reise nun kurz oder lang werden, jedenfalls war der erste Tag zwischen den von Dunst und Regen erblindeten Fenstern des Waggons recht häßlich. Man fuhr durchs Land dahin, ohne etwas davon zu sehen. Alles – Himmel, Felder, Städte, Flecken, Häuser, Bahnhöfe – verlor sich in dem von den Malern verabscheuten grauen Tone. Nur schattenhaft trat das Landschaftsbild von Illinois aus den auf der Erde lagernden Dunstmassen hervor. Man sah nur die hohen Schornsteine der Mehlmühlen von Napiersville und die Dächer der Uhrenfabriken von Aurora – doch so gut wie nichts von Oswego, Yorkville, Sandwich, Mendoza, von Princeton oder Rock Island und seiner prächtigen Brücke über den Missouri, dessen geschäftiges Wasser die »Insel des Felsens« umrauscht, nichts von dem zu einem Arsenal verwandelten Staatsbesitzthum, wo Hunderte von Kanonen mit den Mündungen nach einem grünen Hag und blüthenprangenden Büschen hinausstarren.
Max Real war recht enttäuscht. Flog er so unter Regenschauern dahin, so konnte er keine später verwendbaren Eindrücke von der Landschaft in sich aufnehmen. Er hätte ebenso gut den ganzen Tag schlafen können – was Tommy übrigens gewissenhaft that.
Gegen Abend hörte der Regen auf, die Wolken zogen hoch am Himmel hin. Die Sonne verschwand hinter dem rothgolden leuchtenden Horizonte. Das war ein Hochgenuß für Künstleraugen. Fast sofort brach dann aber die Dämmerung herein und verdunkelte die Gegend, durch die die geodätische Grenze zwischen Iowa und Illinois verläuft. Trotz einer klaren Nacht bot auch die Fahrt durch den Nachbarstaat Max Real keine Befriedigung, so daß ihm bald die Augen zufielen, die er erst mit dem nächsten Frühroth wieder aufschlug.
Vielleicht hatte er aber doch Ursache zu bedauern, am Tage vorher bei Rock Island nicht ausgestiegen zu sein.
»Ja… das war unrecht… sehr unrecht, murmelte er beim Erwachen für sich hin. Die Zeit ist mir ja nicht so knapp zugemessen, und jetzt bin ich kaum vierundzwanzig Stunden von zu Hause weg. Den Tag, den ich für Omaha bestimmt habe, hätte ich Rock Island widmen sollen. Von da nach Davenport, der Stadt am Ufer des Mississippi, hat man nur den mächtigen Strom zu überschreiten, und dabei hätte ich ihn endlich gesehen, den berühmten »Vater der Gewässer«, dessen
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