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Das Testament

Das Testament

Titel: Das Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Anforderungen eines Lebens als Missionar physisch nicht gewachsen gewesen.«
    »Wie lange werden Sie hier bleiben?«
    »Ich habe nicht die Absicht fortzugehen.«
    »Das heißt, die Indianer werden Sie begraben.«
    »Vermutlich. Darüber mache ich mir keine Gedanken.«
    »Sterben viele Missionare von World Tribes im Einsatz?«
    »Nein. Die meisten gehen in den Ruhestand und kehren nach Hause zurück. Die haben aber auch Angehörige, die sich um ihre Beisetzung kümmern können.«
    »Sie hätten jede Menge Angehörige und Freunde, wenn Sie jetzt zurückkehren würden. Sie wären hochberühmt.«
    »Das ist erst recht ein guter Grund hier zubleiben. Hier bin ich zu Hause. Ich will das Geld nicht.«
    »Seien Sie nicht töricht.«
    »Ich bin nicht töricht. Geld bedeutet mir nichts. Das müsste Ihnen klar sein.«
    »Sie wissen nicht einmal, wie viel es ist.«
    »Ich will es auch nicht wissen. Ich habe heute meine Arbeit getan, ohne an das Geld zu denken. Morgen und übermorgen werde ich das gleiche tun.«
    »Es sind, grob geschätzt, elf Milliarden.«
    »Soll mich das beeindrucken?«
    »Ich finde den Betrag bemerkenswert.«

    »Aber Sie verehren das Geld. Sie gehören einer Kultur an, in der Geld der Maßstab für alles ist. Es ist eine Religion.«
    »Stimmt. Aber auch Sex ist ziemlich wichtig.«
    »Von mir aus. Geld und Sex. Was noch?«
    »Ruhm. Jeder möchte berühmt sein.«
    »Eine traurige Kultur. Die Menschen machen sich verrückt. Sie arbeiten ununterbrochen, um Geld zu verdienen, damit sie sich Dinge kaufen können, mit denen sie andere Menschen beeindrucken wollen. Man schätzt jeden nach dem ein, was er besitzt.«
    »Zählen Sie mich unter diese Menschen?«
    »Und Sie selbst?«
    »Ich denke schon.«
    »Dann führen Sie ein Leben ohne Gott. Sie müssen ein sehr armer Mensch sein, Nate, das kann ich spüren. Sie kennen Gott nicht.«
    Er zuckte zusammen und überlegte, was er zu seiner Verteidigung sagen könnte, aber die Wahrheit entwaffnete ihn. Es gab nichts, womit er sich zur Wehr setzen, kein Fundament, auf dem er stehen konnte. »Ich glaube an Gott«, sagte er ohne große Überzeugungskraft, obwohl es der Wahrheit entsprach.
    »Das sagt sich leicht«, erwiderte sie, nach wie vor sanft und bedächtig. »Ich zweifle auch nicht daran. Aber es ist eines, etwas zu sagen, und ein anderes, danach zu leben. Der verkrüppelte Junge da drüben unter dem Baum heißt Lako. Er ist siebzehn Jahre alt, klein für sein Alter und immer krank. Seine Mutter hat mir gesagt, dass er eine Frühgeburt war. Er bekommt jede Krankheit hier im Dorf als erster. Ich bezweifle, dass er dreißig wird. Er macht sich darüber keine Gedanken. Er hat sich vor einigen Jahren für das Christentum entschieden und ist der angenehmste Mensch, den man sich denken kann. Er spricht den ganzen Tag mit Gott, wahrscheinlich betet er jetzt gerade. Sorgen und Ängste sind ihm fremd.
    Wenn ihn etwas belastet, geht er damit direkt zu Gott und lädt die Last bei ihm ab.«
    Nate sah in der Dunkelheit zu dem Baum hinüber, unter dem Lako betete, konnte aber nichts erkennen.
    Sie fuhr fort: »Dieser Indianerjunge hat nichts auf dieser Erde, aber er sammelt Schätze im Himmel. Er weiß, dass er dort die Ewigkeit bei seinem Schöpfer verbringen wird, wenn er einmal stirbt. Lako ist reich.«
    »Was ist mit Troy?«
    »Ich bezweifle, dass er im Glauben an Christus gestorben ist. Vermutlich brennt er jetzt in der Hölle.«
    »Das glauben Sie doch selbst nicht.«
    »Die Hölle ist durchaus real, Nate. Lesen Sie die Bibel. In diesem Augenblick würde Troy seine elf Milliarden für ein Glas kühles Wasser hergeben.«
    Nate fehlten die Voraussetzungen, mit einer Missionarin theologische Fragen zu erörtern, und das war ihm auch klar. So sagte er eine Weile nichts, und sie verstand. Minuten verstrichen, und selbst der letzte Säugling im Dorf schlief ein. Die Nacht war völlig schwarz und still, man sah weder Mond noch Sterne. Das einzige Licht kam von der schmalen gelben Flamme zu ihren Füssen.
    Sehr sanft berührte sie ihn. Sie tätschelte dreimal seinen Arm und sagte: »Es tut mir leid. Ich hätte nicht sagen sollen, dass Sie einsam sind. Woher sollte ich das wissen?«
    »Es ist schon in Ordnung.«

    Sie ließ ihre Finger auf seinem Arm liegen, als wolle sie unbedingt etwas berühren.
    »Sie sind ein guter Mensch, nicht wahr, Nate?«
    »Ach, eigentlich nicht. Ich tu vieles, was ich nicht tun sollte. Ich bin ein schwacher Mensch, und ich möchte nicht darüber reden. Ich

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