Das Testament
Einige Tage im Krankenhaus, etwas Medizin, und er war wieder auf den Beinen. Als er fertig war, kamen die Fragen. Phil wollte alles über die Missionarin wissen - welcher Kirche sie angehörte, Einzelheiten über ihren Glauben sowie über ihre Arbeit bei den Indianern. Lauras Schwester hatte fünfzehn Jahre in einem kirchlichen Krankenhaus in China gearbeitet; das bot Stoff für weitere Geschichten.
Es war fast drei Uhr, als Nate das Haus verließ. Seine Gastgeber hätten nur allzu gern weiter mit ihm am Esstisch oder im Wohnzimmer gesessen und wohl am liebsten bis zum Einbruch der Dunkelheit weiter geredet, aber Nate brauchte unbedingt etwas Bewegung. Er dankte ihnen für ihre Gastfreundschaft, und als er ihnen zum Abschied von der Veranda zuwinkte, hatte er den Eindruck, diese Menschen schon seit Jahren zu kennen.
Er brauchte eine Stunde, um den Ort zu durchwandern. Hundert Jahre alte Häuser säumten die schmalen Straßen. Alles war, wie es sich gehörte, kein Hund lief frei herum, es gab keine ungepflegten Grundstücke oder verlassenen Gebäude.
Selbst den Schnee hatte man ordentlich und voll Sorgfalt beiseite geschaufelt, damit Straßen und Bürgersteige frei waren und kein Nachbar sich gekränkt fühlen musste. Nate blieb am Anleger stehen und bewunderte die Segelboote. Er hatte noch nie einen Fuß auf eines gesetzt.
Er beschloss, St. Michaels nur zu verlassen, wenn es sich nicht vermeiden ließ.
Er würde in Joshs Häuschen wohnen und dort bleiben, bis ihn der Eigentümer höflich auf die Straße setzte. Er würde sein Geld sparen, und wenn der Fall Phelan vorüber war, würde er irgendeine Möglichkeit finden, sich weiter durchs Leben zu schlagen.
In der Nähe des Hafens stieß er auf einen kleinen Lebensmittelladen, der gerade schließen wollte. Er kaufte Kaffee, Dosensuppen, Salzgebäck und Hafergrütze für das Frühstück. Nahe der Theke stand eine ganze Anzahl von Bierdosen. Er lächelte sie an, froh, dass diese Zeiten hinter ihm lagen.
VIERZIG
Grit bekam sein Mandat per Fax und E-Mail entzogen, was in seiner Kanzlei bisher noch nie vorgekommen war. Absenderin war Mary ROSS, die ihn am frühen Montag morgen nach einem Wochenende mit ihren Brüdern, bei dem es hoch hergegangen war, von ihrer Entscheidung in Kenntnis setzte.
Der Anwalt dachte nicht daran, so ohne weiteres von der Bildfläche zu verschwinden. Er faxte Mary ROSS umgehend eine Rechnung für seine bisherigen Bemühungen zu: rund hundert-fünfzig Stunden zu je sechshundert Dollar, also insgesamt fast neunzigtausend Dollar. Verglichen mit dem Betrag, auf den er bei einer außergerichtlichen Einigung oder einem anderen günstigen Ergebnis Anspruch gehabt hätte, war das mehr als dürftig. Was sollte er mit sechshundert Dollar die Stunde? Er wollte ein ordentlichen Stück vom Kuchen, einen Anteil von dem, was er für seine Mandantin herauszuholen gedachte, nämlich die fünfundzwanzig Prozent, auf die er sich mit ihr geeinigt hatte. Grit hatte mit Millionen gerechnet und starrte jetzt in seinem verschlossenen Büro fassungslos das Fax an. Es war doch nicht möglich, dass ihm da ein Vermögen durch die Finger geglitten war! Er war fest überzeugt, dass die Verwalter von Phelans Nachlass nach einigen Monaten eines mit harten Bandagen geführten Kampfes um das Erbe einer einvernehmlichen Lösung zugestimmt hätten. Selbst, wenn man jedem der sechs Nachkommen nur zwanzig Millionen zubilligte, auf die sich diese wie verhungerte Straßenköter stürzen würden, bliebe das Phelan-Vermögen nach wie vor so gut wie unangetastet. Zwanzig Millionen für seine Mandantin wären fünf Millionen für ihn, und allein in seinem Büro musste Grit zugeben, dass er bereits überlegt hatte, wie er sie verbraten wollte.
Er rief Hark Gettys Kanzlei an, um ihn zu beschimpfen, erfuhr aber, dass Mr.
Gettys im Augenblick unabkömmlich sei.
Mittlerweile vertrat Mr. Gettys drei der vier Kinder aus Troy Phelans erster Ehe. Sein prozentualer Anteil war von fünfundzwanzig über zwanzig auf siebzehneinhalb Prozent zurückgegangen; aber die Hebelwirkung war enorm.
Er betrat kurz nach zehn den Besprechungsraum seiner Kanzlei, begrüßte die verbliebenen Anwälte der Phelan-Nachkommen, die dort zu einer wichtigen Sitzung zusammengekommen waren, und sagte munter: »Ich habe Ihnen mitzuteilen, dass sich Mr. Grit nicht mehr mit dem Fall beschäftigt. Mary ROSS Phelan Jackson, seine ehemalige Mandantin, hat mich mit der Vertretung ihrer Interessen betraut, und ich habe
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