Das Testament
Kontakt mit ihr zu treten, aber sie wollte nichts von ihm wissen. Ich könnte mir vorstellen, dass ihn das tief getroffen hat. Da er ein Mensch war, der immer bekam, was er haben wollte, hat sich sein Schmerz in Wut verwandelt, als ihn Rachel links liegen ließ. Ich könnte mir vorstellen, dass er sie regelrecht gehasst hat. Aus diesem Grunde liefert die Tatsache, dass er sie als Universalerbin eingesetzt hat, einen unübersehbaren Hinweis darauf, dass er völlig verrückt war.«
Wieder einmal hatte Snead Grund zu bewundern, wie flink Hark eine Geschichte aus dem Nichts herbeizaubern konnte. Sogar seine Kollegen waren beeindruckt. »Was glauben Sie?« fragte Hark in die Runde.
Die anderen Anwälte nickten zustimmend. »Er sollte alles in Erfahrung bringen, was sich über Rachel ermitteln lässt«, sagte Bright.
Dann wiederholte Snead für die Kameras, was ihm Hark gerade souffliert hatte, wobei er eine beachtliche Fähigkeit an den Tag legte, ein vorgegebenes Thema auszuschmücken. Als er fertig war, konnten die Anwälte ihre Zufriedenheit nicht verbergen. Der Kerl würde sagen, was man von ihm erwartete - und es gab niemanden, der ihm widersprechen könnte.
Immer, wenn Snead eine Frage gestellt wurde, bei der er Hilfe brauchte, sagte er: »Daran habe ich nicht gedacht«, und die Anwälte sprangen ihm bei. Hark, der die schwachen Stellen vorauszuahnen schien, hatte gewöhnlich sogleich etwas Passendes zur Hand. Doch immer wieder gab es auch für die anderen Anwälte Gelegenheiten, Lücken mit erfundenen Details zu füllen, und jeder war bestrebt zu zeigen, wie gut er lügen konnte.
So wurde Schicht um Schicht aufgetragen, poliert und sorgfältig überarbeitet, um ohne jeden Zweifel zu beweisen, dass Mr. Phelan an dem Vormittag, da er sein letztes Testament verfasst hatte, nicht bei Verstand gewesen war. Die Anwälte trainierten Snead, und er erwies sich als gelehriger Schüler. Unter Umständen war er zu gelehrig, fürchteten sie und machten sich Sorgen, dass er zuviel sagen könnte. Seine Glaubwürdigkeit war unbestreitbar. In seiner Außage durfte es keine Unstimmigkeiten geben.
Drei Stunden lang arbeiteten sie an seiner Außage und bemühten sich dann zwei weitere Stunden hindurch, sie mit einem erbarmungslosen Kreuzverhör in Stücke zu fetzen. Snead bekam kein Mittagessen. Er wurde verhöhnt und als Lügner hingestellt. Einmal hätte ihn Ms. Langhorne fast zum Weinen gebracht. Als er erschöpft war und kurz vor dem Zusammenbruch stand, schickte man ihn mit einem Stapel Videokassetten und der Aufforderung nach Hause, sie immer wieder gründlich durchzugehen.
Man teilte ihm mit, dass man im gegenwärtigen Stadium noch nichts mit ihm anfangen könne, da seine Aussagen noch nicht hieb- und stichfest seien. Müde und verwirrt fuhr der arme Snead in seinem neuen Range Rover nach Hause, entschlossen, seine Lügen so lange zu proben, bis ihm die Anwälte Beifall zollten.
Richter Wycliff genoss es, mit Josh im Richterzimmer zu Mittag zu essen. Wie beim vorigen Mal hatte Josh Sandwiches aus einer von einem Griechen betriebenen Imbissstube in der Nähe des Dupont Circle mitgebracht. Er packte sie aus und stellte auch Eistee und Gewürzgürkchen auf den kleinen Ecktisch. Während sie aßen, redeten sie zuerst über ihre berufliche Überlastung, kamen dann aber rasch auf den Phelan-Nachlaß zu sprechen. Irgend etwas musste geschehen sein, sonst wäre Josh nicht gekommen.
»Wir haben Rachel Lane gefunden«, sagte er schließlich.
»Großartig. Wo?« Die Erleichterung auf Wycliffs Zügen war unübersehbar.
» Sie will, dass wir das nicht bekannt geben. Jedenfalls nicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt.«
»Ist sie hier im Lande?« Der Richter vergaß, in sein mit Corned beef belegtes Brötchen zu beißen.
»Nein. Sie befindet sich an einem sehr abgelegenen Ort der Erde und möchte auch sehr gern dort bleiben.«
»Wie haben Sie sie gefunden?«
»Ihr Anwalt hat sie aufgespürt.«
»Wer ist das?«
»Ein früherer Partner meiner Kanzlei, der aber schon im August ausgeschieden ist. Er heißt Nate O’Riley.«
Wycliff kniff die Augen zusammen und dachte darüber nach. »Was für ein sonderbarer Zufall. Sie läßt sich von einem ehemaligen Partner der Kanzlei vertreten, mit der ihr Vater verbunden war.«
»Von einem Zufall kann keine Rede sein. Als Nachlaßverwalter musste ich unbedingt mit ihr in Kontakt treten. Also habe ich O’Riley gebeten, sie zu suchen. Er hat sie gefunden, und sie hat ihn mit ihrer Vertretung
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