Das Testament
Erbschaftssteuer in Sicherheit zu bringen. Er muss schon eine ganze Weile den Verstand verloren haben. Was glauben Sie, warum wir diese Befragung angesetzt hatten? Wenn er nicht verrückt gewesen wäre, wären dann drei Psychiater nötig gewesen, die ihn auf seinen Geisteszustand überprüfen sollten, bevor er sein Testament unterzeichnete?«
»Aber die drei haben gesagt, dass alles in Ordnung war.«
»Ja, und damit haben sie völlig falsch gelegen. Er ist über das Terrassengeländer gesprungen. Leute, die bei klarem Verstand sind, tun so was nicht.«
»Und was wäre, wenn Ihr Vater das andere Testament und nicht das eigenhändige unterschrieben hätte und anschließend gesprungen wäre? Wäre er dann auch verrückt gewesen?«
»Dann wären wir nicht hier.«
Das war die einzige Gelegenheit während seines zweitägigen Martyriums, bei der Troy Junior ein Unentschieden herausholte. Nate war klar, dass er jetzt besser weitermachte und später noch einmal darauf zurückkäme.
»Lassen Sie uns über die Roosters Inns sprechen«, erklärte er, und Troy Juniors Schultern sanken eine Handbreit. Dabei handelte es sich lediglich um eine seiner weiteren Unternehmungen, mit denen er finanziellen Schiffbruch erlitten hatte.
Nate wollte alle noch so unbedeutenden Einzelheiten wissen. Ein Bankrott führte zum nächsten, und sobald man auf einen dieser Fälle zu sprechen kam, würde automatisch nach den anderen gefragt.
Junior hatte ein trauriges Leben geführt. Zwar fiel es Nate schwer, mit ihm zu fühlen, doch war ihm klar, dass der arme Kerl nie einen Vater gehabt hatte. Er hatte sich nach dessen Anerkennung gesehnt, doch sie war ihm stets versagt geblieben. Soweit Nate von Josh wusste, hatte es Troy Phelan großes Vergnügen bereitet, wenn eine Unternehmung seiner Kinder fehlschlug.
Am zweiten Tag entließ er seinen Zeugen um halb sechs. Der nächste war Rex. Er hatte schon den ganzen Tag auf dem Gang gewartet und war höchst aufgebracht, als er hörte, dass er wieder vergeblich gekommen war.
Josh war aus New York zurück, und Nate aß gemeinsam mit ihm zu Abend.
FÜNFUNDVIERZIG
R ex Phelan hatte den größten Teil des Vortags vom Gang aus telefoniert, während sich Nate O’Riley seinen Bruder vornahm. Er hatte genug Prozesse hinter sich, um zu wissen, dass sie vor allem die Fähigkeit zu warten voraußetzen: Man musste auf Anwälte warten, auf Richter, auf Zeugen, auf Gutachter, auf Prozesstermine für Berufungsinstanzen. Wenn es dann endlich soweit ist, wartet man auf dem Gang, bis man an der Reihe ist, selbst auszusagen. Als er die Rechte hob und schwor, die Wahrheit zu sagen, empfand er Nate gegenüber bereits eine tiefe Abneigung.
Hark und Troy Junior hatten ihm klargemacht, was ihm bevorstand. Der Anwalt O’Riley, hatten sie gesagt, gehe einem unter die Haut und setze sich da fest wie eine Eiterbeule.
Wieder begann Nate mit Fragen, die sein Opfer zur Weißglut bringen sollten, und binnen zehn Minuten erfüllte eine feindselige Atmosphäre den Raum. Drei Jahre lang hatte das FBI Rex im Visier gehabt. Eine Bank, in die Rex investiert hatte und in deren Vorstand er saß, hatte 1990 Bankrott angemeldet. Dabei hatten Anleger ihr Geld verloren. Prozesse zogen sich über Jahre hin, ohne dass ein Ende in Sicht war. Der Vorstandssprecher der Bank saß im Gefängnis, und Fachleute waren der Ansicht, als nächster sei Rex an der Reihe. Es gab genug schmutzige Wäsche, um Nate stundenlang zu beschäftigen.
Es schien ihm Spaß zu machen, Rex immer wieder daran zu erinnern, dass er unter Eid stehe. Außerdem ständen die Chancen nicht schlecht, dass das FBI Einblick in das Protokoll dieser Befragung nehmen werde.
Der Nachmittag war schon ziemlich weit fortgeschritten, als Nate endlich zu den Striptease-Clubs kam, von denen Rex im Gebiet von Fort Lauderdale sechs besaß, auch wenn sie auf den Namen seiner Frau eingetragen waren. Er hatte sie von einem Mann gekauft, der später bei einem Schusswechsel getötet worden war. Sie waren als Thema der Befragung einfach unwiderstehlich, und Nate ging sie eins nach dem anderen durch und stellte hundert Fragen dazu: Lady Luck, Lolita’s, Club Tiffany und wie sie alle hießen. Er fragte nach den dort tätigen Damen, wollte wissen, woher sie stammten, wie viel sie verdienten, ob sie Drogen nahmen und, falls ja, welche, ob sie die Gäste berührten und vieles weitere. Er stellte eine Frage nach der anderen über die wirtschaftlichen Hintergründe dieser Art von Betrieb. Nachdem
Weitere Kostenlose Bücher