Das Testament
er drei Stunden lang mit größter Sorgfalt ein Bild des schmuddeligsten Geschäfts auf der Welt gezeichnet hatte, fragte er: »Hat Ihre gegenwärtige Frau nicht in einem solchen Club gearbeitet?«
Zwar entsprach das den Tatsachen, doch konnte Rex das nicht so ohne weiteres sagen. Sein Hals verfärbte sich leuchtend rot, und einen Augenblick lang sah es so aus, als wolle er über den Tisch springen.
»Als Buchhalterin«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen.
»Hat sie je getanzt, ich meine, auf den Tischen?«
Wieder trat eine Pause ein, während Rex mit den Fingern die Tischkante umkrallte. »Ganz bestimmt nicht.« Es war eine Lüge, und jeder im Raum wusste das.
Nate blätterte einige Papiere durch, um der Wahrheit auf die Spur zu kommen.
Alle sahen aufmerksam zu und rechneten mehr oder weniger damit, dass er ein Foto herausziehen würde, das Amber mit hochhackigen Schuhen und in einem String-Tanga zeigte.
Wieder einmal wurde die Befragung um sechs Uhr vertagt, mit der Aussicht, dass es am nächsten Morgen weiterging. Als die Videokamera abgeschaltet war und die Protokollbeamtin ihre Stenomaschine wegräumte, blieb Rex in der Tür stehen, wies mit dem Finger auf Nate und sagte: »Keine weiteren Fragen über meine Frau, verstanden?«
»Das ist unmöglich. Alle Vermögenswerte sind auf ihren Namen eingetragen.« Nate wedelte mit einem Stapel Papiere, als hätte er das alles schriftlich. Hark schob seinen Mandanten durch die Tür.
Während Nate eine Stunde lang allein am Tisch saß und seine Notizen durchging, wünschte er sich, er säße in St. Michaels auf der Veranda des Häuschens mit dem herrlichen Blick auf die Bucht. Er musste unbedingt mit Phil sprechen.
Das ist dein letzter Fall, sagte er sich immer wieder. Und du tust es für Rachel.
Am folgenden Tag fragten sich die Anwälte gegen Mittag, ob die Befragung Rex’
drei oder vier Tage dauern würde. Gegen ihn lagen vollstreckbare Forderungen in Höhe von mehr als sieben Millionen Dollar vor, doch waren den Gläubigern die Hände gebunden, weil all seine Vermögenswerte auf seine Frau Amber eingetragen waren, die ehemalige Stripperin. Nate nahm eins der Vollstreckungsurteile nach dem anderen zur Hand, legte sie vor sich, betrachtete sie aus jedem denkbaren Blickwinkel und legte sie dann in die Akte zurück, wo sie bleiben würden, oder auch nicht. Die Zähigkeit, mit der die Befragung voranging, machte jeden verrückt, außer Nate, der es irgendwie schaffte, seiner Aufgabe mit ernster Miene nachzugehen.
Im Lauf der Nachmittagssitzung kam er auf Troys Sprung und die Ereignisse zu sprechen, die dazu geführt hatten. Dabei verfolgte er die gleiche Taktik wie bei der Befragung Juniors, und es war deutlich zu sehen, dass Rex von Hark vorbereitet worden war. Seine Antworten auf die Fragen, die Nate zu Dr. Zadel stellte, waren einstudiert, aber zutreffend. Rex hielt sich an die einmal eingeschlagene Richtung - es sei klar, dass alle drei Psychiater unrecht haben mussten, denn wenige Minuten nach der Befragung sei Troy in den Tod gesprungen.
Sie gelangten auf vertrauteres Gebiet, als Nate ihn nach seiner unglückseligen beruflichen Laufbahn in der Phelan-Gruppe befragte. Anschließend verbrachten sie zwei qualvolle Stunden mit Fragen darüber, wohin die fünf Millionen verschwunden waren, die Rex als väterliche Starthilfe ins Leben erhalten hatte.
Um halb sechs erklärte Nate unvermittelt, er sei fertig, und verließ den Raum.
Zwei Zeugen in vier Tagen. Zwei Männer, deren Innerstes nach außen gekehrt und auf Videobändern bloßgelegt worden war. Es war kein erhebender Anblick. Die Phelan-Anwälte strebten ihren Autos entgegen und fuhren davon. Möglicherweise lag das Schlimmste hinter ihnen, vielleicht aber stand es ihnen auch noch bevor.
Ihre Mandanten waren in der Kindheit maßlos verzogen und von ihrem Vater nicht beachtet worden. Später hatte er ihnen in einem Alter, in dem sie mit Geld noch nicht umgehen konnten, einen gewaltigen Betrag zur Verfügung gestellt und erwartet, dass sie damit reüssierten. Die Schuld daran, dass sie nichts daraus zu machen verstanden, trug nach einhelliger Ansicht aller Phelan-Anwälte Troy.
Libbigail wurde am Freitag morgen hereingeführt und auf den Ehrenplatz gesetzt.
Ihr Kopf war an den Seiten fast kahlgeschoren, und oben auf dem Kopf waren etwa zweieinhalb Zentimeter lange graue Haare stehen geblieben, eine Art Bürstenhaarschnitt. Billiger Schmuck an Hals und Armen klirrte, als sie die Hand zum Schwur
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