Das Teufelskind
ihrem bösen Blick schaute sie den Apparat an. Durch die Nase holte sie Luft. Ihre Lippen zuckten, und sie tat so, als würde sie einen Schritt vorgehen. Dann stoppte sie die Bewegung ab und ließ den Apparat schellen.
»Komm mit!« Sie riß Johnny herum. Diesmal konnte sich der Junge nicht halten, er fiel hin.
Die Hagere nahm wenig Rücksicht auf ihn. Sie schleifte ihn auf die Treppe zu, wo Johnny sich wieder fing die Stufen hochschaute und Lydia erkannte.
Sie wartete fast am Ende. »Warum bist du denn so störrisch?« klang ihre Stimme auf. »Du weißt doch, Johnny, daß du in deinem Sarg liegen mußt, nicht wahr?«
»Hoch jetzt!« zischte Martha.
In diesem Augenblick meldete sich abermals der Apparat, und Martha stieß einen Fluch aus, der einem altgedienten Seemann zur Ehre gereicht hätte.
Sie wußte nicht, wer hier anrief. Unter Umständen konnte es wichtig sein, und was brach sie sich schon ab, wenn sie abhob? Johnny konnte nicht entkommen, die Haustür war verschlossen. Um ein Fenster zu öffnen, mußte er erst auf die Bank klettern.
Sie ließ den Jungen los, ging zum Telefon und hob ab…
***
Wir drei waren beunruhigt, und das ließ auch unser Mienenspiel erkennen. Jeder machte sich Sorgen um Johnny, denn keiner von uns hätte damit gerechnet, daß nicht abgehoben wurde.
»Ob die nicht da sind?« fragte Sheila.
»Wie groß ist denn das Haus?« wollte ich wissen.
»Ziemlich groß. Mit unserem nicht zu vergleichen. Da gibt es zahlreiche Zimmer in beiden Etagen. So viel jedenfalls habe ich von draußen gesehen«, antwortete mir Bill.
»Dann versuche es noch einmal. Vielleicht hat sich die Tante irgendwo in den oberen Räumen aufgehalten und ist zu spät gekommen. Kann ja sein.«
»Und wenn sie wieder nicht abhebt?«
»Dann schauen wir selbst nach«, erklärte ich.
»Okay.« Bill nickte. »Vielleicht putschen wir uns auch gegenseitig auf«, sagte er, als er den Hörer abnahm und zum zweitenmal die Nummer tippte. »Muß ja nicht alles gleich so schlimm sein.«
Ich drückte meine Zigarette aus und schielte von der Seite her auf meinen Freund, der den Hörer gegen das Ohr gepreßt hielt. Noch ertönte das Freizeichen, doch plötzlich hörte auch ich schwach eine Stimme, und Bills Gesicht hellte sich auf.
»Mrs. Sidomas?« fragte er. »Sind Sie es.«
Das »Ja« konnte sogar ich verstehen.
»Ein Glück, denn es geht um unseren Sohn. Hier spricht übrigens Conolly. Ist Johnny noch bei Ihnen?«
Da Bill lächelte, rechneten wir mit einer positiven Antwort, und mein Freund nickte auch. Dann sagte er: »Ich weiß es nicht, aber ich frage mal meine Frau, was sie dazu sagt. Einen Augenblick Geduld bitte.« Bill deckte die Sprechmuschel mit der Hand ab und drehte sich zu uns hin.
»Die Tante läßt fragen, ob Johnny noch eine halbe Stunde bleiben kann? Sie will ihn dann schicken.«
Sheila hob die Schultern. »Ich überlasse es dir.«
Bill überlegte, schaute zum Fenster und sah, daß es noch hell war. »Ja«, antwortete er. »Johnny kann noch eine halbe Stunde bleiben.«
Der Reporter hörte die Antwort und nickte. »Gut, ich verlasse mich auf Sie, Mrs. Sidomas. Vielen Dank noch mal, daß Sie sich mit den Kindern so eine große Mühe geben, denn unser Sohn ist manchmal ziemlich wild.«
Da die Frau aufgelegt hatte, ließ auch Bill den Hörer auf die Gabel sinken und atmete auf. »Ihr seht, alle Aufregungen waren umsonst. Johnny ist da.«
»Du hast aber nicht mit ihm gesprochen?« stellte ich fragend fest.
»Nein - weshalb?«
»Schon gut.«
»Komm!« Mein Freund schlug mir auf die Schulter. »Wir nehmen noch einen kleinen Schluck, den können wir nach diesen Aufregungen vertragen.«
»Das meine ich auch«, erwiderte Sheila und holte frische Gläser.
***
Johnny sah, wie die Frau den Hörer abhob, und er hörte auch ihr Gespräch. Schon nach den ersten Sätzen war ihm klar, daß es sich um seine Person drehte, und als der Name Mr. Conolly fiel, da wußte er, daß sein Daddy anrief.
Plötzlich sah Johnny die Welt ganz anders. Er kam sich auf einmal nicht mehr so gefangen vor, obwohl er aus diesem Haus nicht herauskonnte, aber es gab eine Verbindung zu seinen Eltern, und er freute sich wie ein Schneekönig. Wenn Daddy kam, war alles klar. Aber das mußte ihm auch gesagt werden, und Johnny lief vor, um den Namen seines Vaters zu rufen.
Während des Telefonats hatte ihn die Hagere nicht aus den Augen gelassen. Sie bekam die Reaktion des Kleine genau mit. Als er vorlief, wobei er noch seinen Mund
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