Das Teufelslabyrinth
standen, diese Schatten warfen.
Melody drehte sich zu ihm um, lächelte ihn an und streckte die Hand nach ihm aus.
Und obwohl er immer noch umkehren wollte - mehr als alles andere auf der Welt -, weigerten sich seine Beine, seinem Willen zu gehorchen. Er machte drei Schritte in den Raum hinein und fand sich an dem dritten Ausgangspunkt in dieses Labyrinth wieder.
Nun hörte er eine seltsame Melodie, wie von einem langsamen Schreittanz, die aus seinem eigenen Kopf zu kommen schien. Der Rhythmus wurde eindringlicher, hämmerte durch seinen Körper, und plötzlich machte Ryan
die ersten Schritte eines Tanzes, der, wie er wusste, erst dann endete, wenn er gemeinsam mit Melody und Sofia die Mitte des Irrgartens erreicht hätte.
Zuletzt standen sie in einem Dreieck um Pater Sebastian herum, und - wieder ohne Ryans Zutun - sein rechter Arm hob und streckte sich, bis seine Fingerspitzen die von Melody Hunt berührten. In dem Augenblick durchströmte etwas seinen Körper, das sich wie elektrischer Strom anfühlte, und er spürte eine dunkle Energie in den Raum fließen, als dünsteten die Mauern diese aus, und sich um ihn herum sammeln.
Und dann war es, als ob jeder einzelne Ziegelstein dieses Gebäudes anfinge zu vibrieren.
Pater Sebastian hob den Blick zu dem verzerrten Gesicht Christi über ihm, und seine Augen leuchteten dabei, wie von einer inneren Flamme erhellt. »Heute vereinen wir diese Dreiheit in ein einzelnes Wesen«, sprach er. »Ein Wesen, dessen Macht viel größer ist als die eure - ein Wesen, das nur mir gehorcht.«
Er senkte die Stimme und flüsterte noch ein paar Worte. Als daraufhin Sofia Capelli die Hand nach Ryan ausstreckte, hob sich sein Arm erneut, und wieder musste er machtlos zusehen, wie sich seine Fingerspitzen den ihren entgegenstreckten. Und als sie sich berührten, verdoppelte sich die Energie in dem Raum. Ryan spürte, dass seine Haut prickelte, er schwankte, und plötzlich wurde ihm schlecht.
Doch so schnell die Übelkeit gekommen war, verschwand sie auch wieder, und mit ihr das Prickeln und die Gleichgewichtsstörungen.
Zurück blieb ein Gefühl von Macht.
Das und eine eifrige Erpichtheit, das zu hören, was Pater Sebastian ihm zu sagen hatte.
Pater Sebastian zog die alte Schriftrolle aus dem Ärmel seines Gewands, entrollte das gelbliche Pergament und begann laut vorzulesen. Und obwohl Ryan auch diese Worte noch nie zuvor gehört hatte, formten seine Lippen zugleich mit Melody und Sofia die Sätze in Einklang mit Pater Sebastian, und schon bald schwollen ihre Stimmen an und erfüllten die kleine Kapelle mit einem hypnotisierenden Sprechgesang. Immer lauter sangen sie, bis die Dunkelheit um sie zu kreisen schien und schlussendlich sie alle drei sich zu einer Art Strudel um Pater Sebastian formierten.
Das Volumen ihrer Stimmen steigerte sich weiter, und jetzt war es, als drehte sich die ganze Kapelle um sie, und irgendwann erreichte das Skandieren eine Lautstärke, dass die Wände anfingen zu beben.
Und in dem Augenblick, als sie die letzte Silbe ihres Sprechgesangs herausschrien, ertönte unvermittelt ein heulender Schrei, direkt über Pater Sebastian, und als Ryan den Blick hob, sah er wieder die Christusfigur, die kopfüber an dem umgedrehten Kreuz hing. Der Mund des Erlösers war weit aufgerissen, sein ganzer Körper wand sich vor Schmerzen. Aus der Wunde an seiner Seite strömte Blut, und ein paar Tropfen davon spritzten auf Ryans nach oben gerichtetes Gesicht.
Seine Haut brannte, als wären die Blutstropfen glühende Kohlestücke.
Jetzt bluteten auch Ryans Hände wieder, und abermals vermischte sich sein Blut mit dem von Melody und Sofia.
Pater Sebastian verstummte, er rollte das Pergament ein und ließ es wieder im Ärmel seines Talars verschwinden. Dann ging er auf Sofia zu. Auch seine Hände bluteten, als er sie ausstreckte und Sofia rechts und links an
die Wangen legte. »Durch mein Blut lebst du und bist mir zu Gehorsam verpflichtet«, sprach er.
»Ich werde gehorchen«, wisperte Sofia.
Nun wandte Pater Sebastian sich an Melody, legte die Hände an ihr Gesicht und wiederholte seine Worte, während das Blut von seinen Händen an Melodys Wangen herabfloss.
»Ich werde gehorchen«, versprach auch Melody.
Zuletzt kam Pater Sebastian zu Ryan, sah ihm tief in die Augen, und als er seine blutenden Hände hob, um sie auch an Ryans Gesicht zu legen, wurde Ryan von einer nie gekannten Begeisterung gepackt, und noch während er den Worten des Priesters lauschte, wusste
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