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Das Teufelsspiel

Das Teufelsspiel

Titel: Das Teufelsspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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hat er geheißen?«
    »Thompson Boyd.«
     
     

VIERTER TEIL
     
    Dead Man Walking
     
     
     

 … Neunundzwanzig
     
    »Boyd ist hier in der Gegend aufgewachsen«, ertönte Peppers Stimme aus dem Lautsprecher. »Sein Vater war in der Ölbranche …«
    »Als hohes Tier?«
    »Nein, als Arbeiter oder Techniker, draußen auf den Feldern. Die Mutter war Hausfrau. Keine Geschwister. Eine normale Kindheit, wie’s aussah. Richtig beschaulich, wenn man ihm glauben darf. Er hat oft von seiner Familie erzählt, sie hat ihm sehr am Herzen gelegen. Und er hat viel für seine Mutter getan, vor allem seit sie bei einem Tornado einen Arm oder ein Bein verloren hatte. Er hat sich immer um sie gekümmert. Einmal hat ein Junge sich wohl mitten auf der Straße über sie lustig gemacht, und da ist Boyd ihm gefolgt und hat ihm gedroht, er werde ihm nachts eine Klapperschlange ins Bett legen, falls er sich nicht entschuldigt.
    Wie dem auch sei, nach der Highschool und ein oder zwei Jahren auf dem College hat er eine Weile in der Firma seines Vaters gearbeitet, bis eine Entlassungswelle kam. Er wurde gefeuert. Sein Daddy auch. Es war eine harte Zeit, und er kriegte einfach keinen Job, also hat er den Staat verlassen. Ich weiß nicht, wohin. Hat in irgendeinem Gefängnis gearbeitet, zunächst als normaler Wärter. Dann gab es da irgendein Problem – der Exekutionsbeamte wurde krank oder so –, und niemand anders wollte seine Aufgabe übernehmen. Also hat Boyd sich dafür gemeldet. Die Grillparty lief so gut …«
    »Die was?«
    »Verzeihung. Die Hinrichtung lief so gut, dass er den Job dauerhaft bekam. Er blieb eine Zeit lang dort, zog dann aber von Staat zu Staat weiter, weil er so gefragt war, und wurde ein echter Experte für Exekutionen. Er kannte sich mit Stühlen aus …«
    »Elektrischen Stühlen?«
    »Ja, Sir, wie unser berühmter Old Sparky hier. Über Gas wusste Boyd genauso gut Bescheid und konnte die Kammer erstklassig vorbereiten. Auch eine Henkerschlinge konnte er knüpfen, und dafür ist in den USA kaum jemand amtlich zugelassen, das dürfen Sie mir glauben. Als hier bei uns die LEB-Stelle frei wurde, hat er sich sofort darauf beworben. Wie fast alle anderen waren auch wir auf tödliche Injektionen umgestiegen, und auf diesem Gebiet wurde er nun ebenfalls ein Ass. Er hat sich sogar Hintergrundwissen angeeignet, um den Demonstranten entgegentreten zu können. Es gibt ja Leute, die behaupten, diese Chemikalien würden Schmerzen verursachen. Ich für meinen Teil halte die für Walfreunde und Demokraten, die sich einen Dreck um die Fakten scheren. Das ist doch dummes Gewäsch. Ich meine, wir hatten diese …«
    »Könnten wir bitte auf Boyd zurückkommen?«, fiel Lincoln Rhyme ihm ungeduldig ins Wort.
    »Ja, Sir, tut mir Leid. Also, er war wieder hier, und eine Weile lief alles gut. Eigentlich hat niemand so genau auf ihn geachtet. Er war fast wie unsichtbar. ›Joe Jedermann‹ haben die Jungs ihn genannt. Aber im Laufe der Zeit passierte etwas. Etwas änderte sich. Er wurde seltsam.«
    »Inwiefern?«
    »Je mehr Hinrichtungen er durchführte, desto verrückter wurde er. Irgendwie immer teilnahmsloser. Verstehen Sie, was ich sagen will? Als wäre er nicht ganz da. Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel: Er und seine Eltern standen sich wirklich nahe und kamen prima miteinander aus, das hab ich ja schon erzählt. Dann wurden die beiden und mit ihnen seine Tante bei einem Autounfall getötet, und Boyd verzog keine Miene. Herrje, er ist noch nicht mal zu der Beerdigung gegangen. Man hätte vermuten können, er stehe unter Schock, aber das war es nicht. Es schien ihm einfach egal zu sein. Er kam ganz normal zur Arbeit, und als die anderen von dem Unfall hörten, fragten sie ihn, wieso er nicht zu Hause geblieben sei. Es waren zwei Tage bis zur nächsten Hinrichtung. Er hätte sich freinehmen können. Aber er wollte nicht. Er sagte, er würde später ihre Gräber besuchen. Ich weiß nicht, ob er das je gemacht hat.
    Wissen Sie, es war, als würde er sich immer mehr den Häftlingen annähern – zu sehr, haben viele gedacht. So etwas macht man nicht. Das ist nicht gut. Er saß nicht mehr mit den anderen Wärtern zusammen, sondern verbrachte seine Zeit bei den Todeskandidaten. Er nannte sie ›meine Leute‹. Es heißt, dass er sich einmal sogar selbst auf unseren alten elektrischen Stuhl gesetzt hat, der in dieser Art von Museum steht. Nur um auszuprobieren, wie das so war. Er ist darauf eingeschlafen. Das muss man sich mal

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