Das Teufelsspiel
der anderen Straßenseite wies wesentlich mehr Details auf, ebenso die umliegenden Gassen, Zugänge und Laderampen – es ging um dieses Gebäude, nicht um das Museum.
Zwei Detectives aus dem Präsidium hatten Boyd verhört, um mehr über den Drahtzieher des geplanten Raubes und zugleich den Auftraggeber des Mordes zu erfahren, aber er mauerte.
Sellitto fragte beim Raubdezernat nach, ob aus dem Diamantenbezirk verdächtige Vorkommnisse gemeldet worden seien, doch es schien keine relevanten Anhaltspunkte zu geben. Fred Dellray, der weiterhin mit den Gerüchten über potenzielle Bombenanschläge beschäftigt war, nahm sich die Zeit, in den FBI-Akten nach laufenden Ermittlungen über Juwelendiebstähle zu suchen. Da Diebstahl kein Bundesverbrechen war, gab es nur wenige Fälle, aber einige – bei denen es zumeist um Geldwäsche im Großraum New York ging – kamen in Betracht. Dellray versprach, er werde die Berichte gleich vorbeibringen.
Nun wandten sie sich den Beweisstücken aus Boyds zweitem Versteck und dem Bungalow zu. Vielleicht wies dort etwas auf den führenden Kopf hinter dem Raub hin. Sie untersuchten die Waffen, die Chemikalien, die Werkzeuge und restlichen Gegenstände, stießen jedoch auf nichts, das sie nicht schon vorher gefunden hätten: orangefarbene Partikel, Säureflecke, Krümel und Reste von Falafel und Joghurt, offenbar Boyds Lieblingsmahlzeit. Die Seriennummern der Banknoten waren nirgendwo registriert, und keiner der Scheine wies Fingerabdrücke auf. Eine solch hohe Summe von einem Konto abzuheben, war riskant für den Auftraggeber des Mordes, denn Transaktionen dieser Größenordnung fielen unter die Meldepflicht des Geldwäschegesetzes. Doch eine schnelle Überprüfung der Banken der näheren Umgebung erbrachte keine verdächtige Abhebung. Seltsam, dachte Rhyme, kam aber zu dem Schluss, der Auftraggeber müsse über einen gewissen Zeitraum wohl mehrere kleinere Beträge abgehoben haben, um Boyd zu bezahlen.
Der Killer schien eine der wenigen Personen dieser Erde zu sein, die kein Mobiltelefon besaßen. Falls doch, musste es sich um ein anonymes Prepaid-Gerät handeln – denn es gab keine Rechnungsunterlagen –, das er vor seiner Ergreifung irgendwo weggeworfen hatte. Auf der Rechnung von Jeanne Starkes Festnetzanschluss fanden sich keine verdächtigen Einträge, abgesehen von einem halben Dutzend Telefonaten mit öffentlichen Fernsprechern in Manhattan, Queens oder Brooklyn, ohne dass bei den Standorten irgendein Muster erkennbar gewesen wäre.
Sellittos heroischem Einsatz verdankten sie hingegen einige wertvolle Spuren: Fingerabdrücke auf dem Dynamit und den Innereien des explosiven Transistorradios. Ein Abgleich mit IAFIS und anderen Datenbanken führte zu einem Namen: Jon Earle Wilson. Er habe wegen diverser Straftaten, zu denen auch Brandstiftung, Versicherungsbetrug und die Herstellung von Bomben zählten, in Ohio und New Jersey im Gefängnis gesessen, sei aber bei den New Yorker Behörden nie auffällig geworden, berichtete Cooper. Seine letzte bekannte Adresse liege in Brooklyn und verweise auf ein leeres Grundstück.
»Ich will nicht seine letzte Adresse, sondern die aktuelle. Setz das FBI darauf an.«
»Mach ich.«
Es klingelte an der Tür. Der Drahtzieher und der Komplize waren immer noch auf freiem Fuß, und so schauten alle angespannt zum Eingang des Labors. Sellitto öffnete und kehrte kurz darauf mit einem schwarzen Jungen zurück. Der Teenager war hoch aufgeschossen und trug eine wadenlange weite Hose sowie eine Jacke mit dem Emblem der Knicks. Er hatte eine schwere Einkaufstüte mitgebracht und sah nun überrascht erst Lincoln Rhyme und dann alle anderen Anwesenden an.
»Yo, yo, Geneva. Was ist denn hier los?«
Sie musterte ihn stirnrunzelnd.
»Yo, ich bin Rudy.« Er lachte. »Du erinnerst dich nicht an mich?«
Geneva nickte. »Doch, ich glaube, schon. Du bist …«
»Ronelles Bruder.«
»Ein Mädchen aus meiner Klasse«, sagte Geneva zu Rhyme. »Woher weißt du, dass ich hier bin?«
»Von Ronee. Und die hat es von irgendwem gehört.«
»Vermutlich von Keesh. Der hab ich’s erzählt.«
Der Junge schaute sich ein weiteres Mal im Labor um. »Yo, weswegen ich gekommen bin … ein paar der Mädchen haben Zeug für dich gesammelt. Du weißt schon, du bist ja erst mal nicht in der Schule, also dachten sie, du willst vielleicht was lesen. Ich hab gesagt, Quatsch, gebt ihr ’nen Gameboy, aber die haben gemeint, nein, sie mag Bücher. Also haben sie dir die hier
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